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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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geschlachtet zu werden. Ich ging an ihnen vorbei und aus dem Bahnhof hinaus und trat auf den Bürgersteig. Ein Taxifahrer fragte mich, ob ich ein Taxi brauche, und ich sagte, nein. Ich wusste, dass ich mein Namensschild anstecken und umkehren und wieder hineingehen und mich dieser erbärmlichen Gruppe anschließen musste. Ich sagte mir, in deinem Leben gibt es Dinge, die du nicht tun willst und die du trotzdem tun musst. Du kannst nicht immer nur tun und lassen, was dir gefällt. So läuft das Leben nicht. Das hier ist einer dieser Momente, in denen du das tun und dorthin gehen musst, was du nicht tun und wohin du nicht gehen willst. Ich fingerte nervös an meinem Namensschild in der Sakkotasche herum, ließ die Verschlussnadel aus dem Haken schnippen und machte sie wieder fest. Und dann stieß ich meinen Finger heftig dagegen, so heftig, dass ich wusste, es würde bluten, denn ich wollte bluten. Wenn ich das hier schon tun musste, dann wollte ich dabei bluten. Als die muntere Dame alle Namen auf ihrer Liste abgehakt hatte, wurden wir aus der Union Station und zu einem wartenden Kleinbus geführt. Es stellte sich heraus, dass die Dame die Frau eines (republikanischen) Abgeordneten war und Susan Porter Wright hieß; sie war ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Amerikanischen Klassenzimmer. Sie erzählte uns, wie sehr sie sich jedes Jahr darauf freute, wie wunderbar es war, die aufgewecktesten Schüler des ganzen Landes kennenzulernen, deren Bürgersinn so überdurchschnittlich ausgeprägt war. Obwohl wir alle Namensschilder trugen, ließ sie uns herumgehen und einander vorstellen. Danach ignorierte sie uns und telefonierte auf dem Handy mit einem Caterer wegen einer Geburtstagsparty im hawaiischen Stil für ihren Mann, auf der sie im Garten ihres Hauses ein ganzes Schwein braten wollte.
    Ich wusste, dass wir alle in einem Hotel untergebracht würden, und hatte mir eines dieser hübschen Hotels in der Nähe der National Mall vorgestellt, deshalb verspürte ich eine leichte Panik, als wir Washington zügig durchquerten und dann auf den Highway Richtung Arlington, Virginia, fuhren. Keiner der anderen Schüler schien es zu bemerken, dass wir gerade über Staatsgrenzen gekarrt wurden, was, wie ich glaube, einen Verstoß gegen Bundesgesetze darstellte. Sie sahen alle sehr ausgeglichen und freundlich aus, sie plauderten miteinander darüber, wo sie herkamen, auf welches College sie gehen würden und wie aufgeregt sie waren, anlässlich des Amerikanischen Klassenzimmers in Washington, D.C., zu sein (zumindest gewesen zu sein, denn wir hatten die Stadt ja schon hinter uns gelassen). Ein Mädchen sagte doch tatsächlich:«Das ist das Aufregendste, was ich je erlebt habe», aber sie kam aus North Dakota, also ergab es durchaus einen Sinn. Ein Mädchen fragte mich, wo ich denn herkäme, und ich sagte, New York, was ich bereits bei der wenige Minuten zurückliegenden Vorstellung gesagt hatte, und das Mädchen sagte, oh, und von wo in New York, und ich sagte, New York City, und sie sagte, ihre Mutter sei in Staten Island geboren, und ich sagte, cool. Mir fiel einfach nichts anderes ein.
    Wir entfernten uns immer weiter von Washington, D.C., und ich wollte Mrs. Wright gerade fragen, wo wir denn hinfuhren, als wir den Highway verließen und in den Parkplatz eines Travelodge einbogen. Es war eines dieser Hotels mitten im Nirgendwo, das von ungefähr sechs verschiedenen Highways umrahmt wird und an dem man vorüberfährt und sich fragt, wer dort wohl jemals schlafen sollte und warum. Orte wie dieser, die scheinbar keinerlei Verbindung mehr zum Leben, so wie wir es leben, haben, bringen mich wirklich aus der Fassung. Das alles erinnerte mich an einen bedauerlichen Vorfall vor etwa einem Jahr (der, jetzt wo ich so darüber nachdenke, den bedauerlichen Vorfall, von dem ich erzählen will, eigentlich angekündigt hat). Ich hatte mich für ein paar Tage mit meinem Vater in Los Angeles getroffen; er hatte dort geschäftlich zu tun, und wir wohnten in einem Hotel, von dem aus man das Getty Museum sehen konnte, wie es in seiner ganzen weißen Pracht oben auf dem Hügel das Sonnenlicht reflektierte, und so machte ich mich am ersten Nachmittag, während mein Vater im Mietwagen zu einem Meeting nach Downtown fuhr, auf den Weg zum Museum. Ich dachte, das wäre ganz leicht, schließlich konnte ich es ja sehen; es wirkte, als müsste man bloß um die Ecke und dann den Hügel hinaufgehen. Aber es stellte sich heraus, dass man zu Fuß nicht zum Getty

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