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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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die (zusammen mit diesen Privatschulen, in denen die Kids gedrillt werden) hinten im New York Times Magazine geworben wird und die ernsthaft verstörte Jugendliche angeblich durch die Wunder harter körperlicher Arbeit und die Schönheiten der Natur auf den rechten Weg zurückbringen. Selbst das Motto von Camp Zephyr klang unheilverkündend:«Trag es und habe Geduld; dereinst wird dieser Schmerz dir nutzen.»

4
    Freitag, 25. Juli 2003
    Als ich in die Galerie zurückkam, saß John am Empfang, aber kaum hatte er mich gesehen, stand er auf, ging in sein Büro und schloss die Tür. Ich wusste gleich, dass meine Mutter auch da war, denn die Raumtemperatur war um etwa zehn Grad gefallen. Zu den zahlreichen interessanten, jedoch irrigen Annahmen meiner Mutter zählte die Vorstellung, dass es gut fürs Geschäft wäre, wenn in der Galerie eine Temperatur wie in einer Kühltruhe herrschte. Diese Vorstellung rührte daher, dass sie einen Artikel im Gesellschaftsteil der Times ernst genommen hatte, in dem behauptet wurde, einer kürzlich erhobenen Studie der Temperaturen in verschiedenen Kaufhäusern in New York City zufolge verhalte sich die Exklusivität eines Geschäfts umgekehrt proportional zur dort herrschenden Temperatur: Bergdorf Goodman’s 17 Grad; Kmart 24 Grad.
    Also zog ich den Pullover an, den ich für frostige Zeiten wie diese bereithielt. Ich nahm meinen Platz hinter dem Tisch ein und blickte auf den Computerbildschirm, der die Homepage der Galerie zeigte. Wenn John im Netz war, geht er danach immer auf diese Seite zurück, und ich glaube, ihm ist gar nicht bewusst, dass ich einfach nur«Zurück»anklicken muss, um sehen zu können, auf welchen Seiten er war. Für gewöhnlich ist das eine sehr aufschlussreiche Mischung aus esoterischen und pornographischen Seiten. Nach ein paar Klicks war ich plötzlich auf Gent4Gent.com ,«wo Klasse-Männer andere Klasse-Männer finden». Ich klickte noch ein Fenster zurück und sah eine Seite, die vermutlich Johns Profil zeigte, denn da war ein Foto von ihm, wie er in einem obszön (allerdings schmeichelhaft) engen Badeanzug auf der Veranda eines Strandhauses steht. Sein Profil war überschrieben mit«Schwarzer Narziss», und darin stand: Schwarz und schwul, 33, 1,78 m, 79 kg. Erfolgreich, gebildet, kultiviert. Gut aussehend, fit, scharf. Sucht intelligente, humorvolle Männer, die sich für Sex und Semantik interessieren. Mag: Paul Smith, Paul Cezanne, Paul Bowles. Mag nicht: Starbucks, Star Jones, Star Wars. Offen für anregenden Austausch, aufregende Abende, Ausschweifungen aller Art.
    Diesem gnadenlos alliterierenden Profil folgte eine lange Lieblingsliste: Buch, Film, Freizeitaktivität, Land und so weiter und so weiter. Ganz unten gab es einen Abschnitt, in dem der perfekte Partner beschrieben wurde. Johns Traummann war weiß, 26 bis 35 Jahre alt, besaß einen College-Abschluss oder eine höhere Ausbildung, verdiente mindestens 50 000 Dollar im Jahr, war zwischen 1,70 und 2 Meter groß und wog 65 bis 110 Kilo, hatte eine glatte (aber nicht rasierte) Brust, war«durchtrainiert», mochte Kunst, Baseball und Sex, hatte nichts gegen Hunde, Katzen oder Vögel, rauchte nicht, war aber einem Gläschen«nicht abgeneigt»und nahm«in Maßen, wenn überhaupt»Drogen, praktizierte«immer»Safer Sex, wohnte in Manhattan, war spirituell veranlagt, aber nicht religiös, Anhänger der Demokraten, Vegetarier, vielseitig und nicht beschnitten.
    Weil ich nichts anderes zu tun hatte und weil die Anmeldung bei Gent4Gent kostenlos war (für«besondere Angebote»musste man allerdings bezahlen), entwarf ich ein Profil für Johns perfekten Partner und schickte es ab. Ich fühlte mich ein bisschen wie dieser Kerl, der Frankenstein erschaffen hatte, denn das Wesen, das ich mir ausdachte, war fast schon so etwas wie ein Monster: Ein 30-jähriger scharfer blonder Bursche (1,83 m, 86 kg), der bei Sotheby’s in der Abteilung für zeitgenössische Kunst arbeitete, halb Franzose und halb Amerikaner war (ich hatte da so eine Ahnung, dass John frankophil war), seinen Abschluss in Stanford gemacht und danach ein Aufbaustudium an der Sorbonne absolviert hatte, zwei Amerikanische Waldkatzen («Peretti»und«Bugatti») besaß, Fan der Yankees und des New York City Balletts war, in Chelsea wohnte und einen 20 cm langen, unbeschnittenen Schwanz hatte.
    Etwa eine Viertelstunde später kamen zwei Leute, ein Mann und eine Frau mittleren Alters, in die Galerie. Ohne mich zu beachten gingen sie mit diesem

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