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Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist

Titel: Du wirst schon noch sehen wozu es gut ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Cameron Stefanie Kremer
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und sehr männlich hielt, auf die Liege, aber das Gewicht des Koffers ließ die beiden Bettenden mit jäher Wucht wieder in die Höhe schnellen, der Koffer war verschlungen, und ich hatte mich ziemlich erschreckt.«Du liebe Güte», sagte ich.
    Ich weiß nicht, wieso ich«Du liebe Güte»sagte. Ich sage nie«Du liebe Güte». Meine Großmutter sagt«Du liebe Güte», aber ich glaube nicht, dass ich das jemals zuvor gesagt hatte (als Ausruf, meine ich), doch diese ganze Situation hatte mich irgendwie völlig aus der Fassung gebracht, und so sagte ich«Du liebe Güte». Kaum hatte ich es gesagt, da wurde mir klar, wie idiotisch das klang, und ich hörte, wie meine Zimmergenossen hinter mir auf eine Weise kicherten und prusteten, die immer ein Zeichen dafür ist, dass die anderen über einen lachen, nicht mit einem. Ich dachte daran,«Scheiße»oder«Verdammt»oder«Verdammte Scheiße»zu sagen, aber ich wusste, wenn ich das tat, würde das«Du liebe Güte»dagegen nur noch erbärmlicher klingen. Also sagte ich nichts und klappte das Bett mit Schwung wieder auf, so dass es hielt.
    Von da an ging es, wie man so sagt, bergab. Am Amerikanischen Klassenzimmer nahmen einhundert Schüler teil, zwei aus jedem Staat, und wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, die Washingtons und die Jeffersons. Zwei Busse fuhren uns überallhin, in einem saßen die Washingtons und im anderen die Jeffersons, und wenn ein Buss den anderen überholte, johlten alle alberne Anfeuerungen und hämmerten blöde an die Fenster. Ich verstehe diesen Drang nicht, aus allem einen Wettbewerb zu machen, selbst aus einer Fahrt vom Russell Senate Office Building zu Taco Bell.
    Man hatte uns dazu angehalten, uns jedes Mal, wenn wir mit dem Bus irgendwohin fuhren, neben jemand anderen zu setzen, doch bei unserer allerersten Fahrt (Montagmorgen zum Capitol) setzte sich ein Kader aus Schülern, die sich selbst für cool hielten und daher auch von den anderen für cool gehalten wurden, nach hinten und erhob unmissverständlich Anspruch auf dieses Territorium. Als Schüler aus der Großstadt, der seit der fünften Klasse mit der U-Bahn zur Schule gefahren ist, war mir diese ganze Welt der Schulbusse fremd. Ich fand es recht faszinierend, vom anthropologischen Standpunkt aus. Immer wenn wir zu den Bussen zurückkehrten, gab es diese verstohlene Eile, um einen Platz möglichst weit hinten zu ergattern, was interessant zu beobachten war, denn natürlich war es uncool, so zu wirken, als wolle man cool genug sein, um hinten zu sitzen, und es war uncool, wenn es so aussah, als müsse man sich beeilen, um einen Sitz weit hinten zu bekommen, denn wenn man tatsächlich cool wäre, dann würden die unabänderlichen Gesetze des Universums schließlich dafür sorgen, dass man hinten saß. Ich saß für gewöhnlich ziemlich weit vorne, neben einem Mädchen aus Pennsylvania, das Sue Kenney hieß. Sue war ein ernsthaftes, stämmiges Mädel, das durchaus etwas mehr (oder überhaupt etwas) Deodorant hätte benutzen können, aber sie liebte alles und jeden und hatte DIE BESTE ZEIT IHRES LEBENS! Sie war in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von mir, und auf merkwürdige Weise schienen wir genau deshalb perfekt zueinanderzupassen. Sie bemerkte offenbar nicht, dass ich kaum zehn Worte mit ihr sprach, denn sie selbst plapperte ununterbrochen drauflos und zeigte durch das Fenster auf interessante Dinge, an denen wir gerade vorbeigefahren waren. Langsam mochte ich sie wirklich gern, auf eine ekelhaft überhebliche Art, denn sie war so vollkommen arglos und optimistisch und hinter dem Mond, es machte ihr nichts aus, dass sie übel roch und fett war und Sachen trug, die niemand sonst anziehen würde, ihre Verbindung zum Leben war auf eine ganz seltsame Weise gestört, so dass sie ständig überdreht war, und es war klar, dass sie völlig unbekümmert durch ihr langes, grauenvoll ödes Leben gehen würde, immer in dem Gefühl, alles sei einfach spitze (das Gegenteil von mir).
    Für mich war nichts spitze. Die Mahlzeiten waren am schlimmsten. Das Frühstück war okay - ein Buffet im Excelsior«Ballsaal»des Hotels, zu dem die meisten nicht erschienen, so dass viele Tische frei blieben, und selbst wenn man mit jemandem am Tisch sitzen musste, erwartete doch keiner, dass man mehr sagte als guten Morgen, und damit konnte ich leben. Ich wünschte mir, der ganze Tag wäre wie das Frühstück, wenn die Menschen noch in ihren Träumen gefangen sind, ganz nach innen gewandt und noch nicht bereit,

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