Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
an eine örtliche Polizeidienststelle.
Nikki seufzte und ließ die Zeitung auf den Küchentisch fallen. »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Jack …«
Aber Jack gab ihr keine Antwort. Kopfschüttelnd stand sie auf, um sich noch eine Tasse Kaffee zu holen.
Es würde ein langer Tag werden.
Die San Juan Island war Teil des San Juan Archipelagos, einem Durcheinander vorgelagerter Felsriffe vor der Pazifikküste Washingtons und British Columbias. Nur ein Teil der Inselgruppe gehörte zu den Vereinigten Staaten, die nördlichen Inseln standen unter kanadischer Verwaltung und wurden Gulf Islands genannt. Insgesamt waren es mehr als vierhundertfünfzig Eilande, deren Größe von nackten, aus dem Wasser ragenden Felsbrocken bis zu Hunderte Quadratkilometer großen Gebilden reichte, die mehrere tausend Einwohner zählten. Auf weniger als einem Sechstel der Inseln lebten dauerhaft Menschen.
Tanner steuerte eine im äußersten Norden des amerikanischen Bereichs an, ein fünfundzwanzig Morgen großer Fels namens Burrows Island, der von einem einzigen Menschen bewohnt wurde.
Am Steg legte Tanner mit dem Kajütboot an und vertäute es neben einem einsamen Motorboot. Seit Stunden hatte Parkins bis auf gelegentliches Zucken kein Lebenszeichen von sich gegeben, doch Tanner spritzte ihm dennoch ein weiteres Mal Rohypnol. Er wollte nicht, dass der Gefangene plötzlich erwachte und womöglich anfing, sich zu wehren, während er ihn vom Boot auf den Steg zog.
Allerdings geschah nichts dergleichen. Parkins blieb schlaff und regungslos, während er aus dem Boot und in einen Rollstuhl gezerrt wurde, der auf dem Anleger bereitstand. Mit einigen Gurten fesselte Tanner den Mann an den Stuhl und schob ihn den Steg entlang. Anschließend ging es einen betonierten Fußweg hinauf, der an einer Baumgruppe vorbei zu einem Haus führte.
Das Erdgeschoss des Gebäudes war direkt in den Fels hineingebaut, und der Eingang wurde von zwei zerklüfteten Brocken flankiert, die wie Wasserspeier im Embryonalstadium aussahen. Die riesige Tür bestand aus mit Eichenfurnier verblendetem Stahl, war aber nicht verschlossen. Tanner ergriff den Messingtürknauf und zog sie auf. Dann schob er Parkins in ein kleines, fensterloses Foyer. Auf der gegenüberliegenden Seite führte eine weitere Tür aus dem Raum hinaus. Hier ließ Tanner seinen Gefangenen stehen, ging zurück und drückte die Haustür zu. Kurz darauf rastete das Schloss mit einem lauten Klacken ein.
Da entriegelte sich die innere Tür und schwang auf.
Nikki starrte über die Tischplatte hinweg. Ihr war nach Widerspruch zumute.
»Bist du jetzt glücklich?«, fragte sie. »Das solltest du nämlich sein. Gratuliere, du bist noch einmal davongekommen. Ich meine, wir waren schon öfter in dieser Situation, und es ist jedes Mal, jedes verdammte Mal hässlich geworden. Bloß diesmal nicht, was?« Sie lachte. »Ach, komm schon, lass den beschissenen Kopf nicht hängen! Tut mir leid, dass du nicht dazu gekommen bist, deinem kleinen Hobby zu frönen, aber dafür wird es noch Gelegenheiten genug geben. Alles ganz prima. Du atmest noch, wir brauchen keinen Leichnam zu entsorgen, und die Bullen haben keinerlei Hinweise. Wenn das läuft wie geplant, sind wir alle aus dem Schneider.«
Keine Antwort. Doch Nikki hatte auch keine erwartet.
»Also entspann dich. Alles läuft nach Plan. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss nachschauen, ob unser Gast schon aufgewacht ist.« Sie stand auf und ging hinaus.
Dennison Parkins, gefesselt und geknebelt, sah ihr mit vor Angst weit aufgerissenen Augen nach.
Die Erwachsenenwindel hatte Jack den entscheidenden Hinweis gegeben.
Denn sie bedeutete eine lange Fahrt, und auf die war er nicht gefasst. Ihm war klar, dass Remote ihn nicht allzu nahe an seinen Wohnort bringen würde. Aber dass er ihn so weit wegschaffen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Denn einen Gefangenen über weite Strecken zu transportieren, barg viele Risiken. Dazu kam, dass er die Strecke gleich zweimal zurücklegen musste. Jack blieb nur ein Augenblick, um eine Entscheidung zu fällen, bevor Remote eine Spritze hervorholte.
Jack schob die kleine Folienkugel unter seiner Zunge hervor und über die Lippe und quetschte sie in den schmalen Zwischenraum zwischen dem Klebeband und seiner Haut. Damit versiegelte er seine Mundöffnung. Er hoffte, die Kugel würde dort bleiben. Sollte sie zurück in seinen Mund geraten, konnte er daran ersticken. Remote hatte sich nicht die Mühe
Weitere Kostenlose Bücher