Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
sein Handy hervor, geht die Nummerneinträge durch. »Ich könnte ihnen einen anonymen Hinweis geben«, sagt er. »Sie auf deinen Zustand aufmerksam machen.«
Liam wird ganz blass. »Tu das bloß nicht, Mann! Ich bin nicht krank. Du kannst nicht …«
»Was kann ich nicht?«, fragt James mit einem Grinsen. »Ich bin ziemlich sicher, dass ich kann.«
»Hör zu«, sagt Liam, und zum ersten Mal schwingt echtes Bedauern in seiner Stimme mit, »ich kann darauf verzichten, schließlich hatten wir das alles schon mal. Ich will keinen Ärger. Du kannst sie ganz für dich allein haben«, fügt er hinzu und streckt die Hände aus, als würde er mich diesem Fremden anbieten.
Ich schaue ihn verächtlich an, lasse ihn wissen, dass er nicht das Recht hat, mich irgendjemandem zu überlassen.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich sie haben will«, meint James, der immer noch an der Mauer steht. »Ich habe nur etwas festgestellt.«
Liam blickt ihn eindringlich an, als wolle er sich vergewissern, dass James die Wahrheit sagt, dann schüttelt er bedächtig den Kopf. »Ich glaub’s nicht«, sagt er mehr zu sich selbst. »Du kannst dich auch nicht erinnern.« Doch dann scheint er plötzlich erschrocken und macht einen Satz zur Tür.
James schluckt, lässt sich aber ansonsten nach außen hin nicht weiter anmerken, dass ihn diese Worte getroffen haben. Bevor er weitere Drohungen äußern kann, ist Liam schon verschwunden, rennt ins Innere, ohne sich nur einmal nach uns umzudrehen.
Mein Herz klopft wie verrückt, und als ich mich James zuwende, um mich dafür zu bedanken, dass er mir geholfen hat, hat er sich schon von der Wand abgestoßen und geht zur Tür.
»Danke«, rufe ich ihm hinterher.
Er hält einen Moment inne, die Hand auf dem Türknauf, doch er dreht sich nicht nach mir um.
»Du solltest dir nicht erlauben zu weinen«, sagt er leise. »Wenn man erst einmal damit angefangen hat …« Er lässt den Satz unbeendet und stößt einen tiefen Seufzer aus. Und dann geht er hinein, lässt mich allein in der herabsinkenden Nacht.
3. Kapitel
Als ich mich schließlich wieder unter Kontrolle habe, kehre ich ins Wellness Center zurück. Es kommt mir zu laut vor, zu lebhaft. Niemand sitzt mehr auf der Couch, Liam und Evan sind fort. Kevin lehnt an der Wand, spricht mit Lacey. Als ich näherkomme, richtet er sich schnell auf und tritt auf mich zu.
Ich sage Kevin, dass ich nun fahren möchte, und verabschiede mich noch von Lacey, bevor ich mich umdrehe und zum Ausgang gehe. Die vielen Menschen hier ersticken mich, und ich versuche, nicht an das zu denken, was draußen auf der Terrasse geschehen ist. Versuche, nicht daran zu denken, dass Liam mich gekannt haben könnte. Er hat mich einen »Freak« genannt.
Ich bemerke den anderen Jungen, diesen James, doch er achtet nicht auf mich, als ich an ihm vorbeigehe. Ich würde mich gern noch einmal bei ihm bedanken, doch dann ist Kevin an meiner Seite und führt mich nach draußen.
Auf dem Parkplatz, neben seinem Van, bleibt Kevin stehen, sodass auch ich stehen bleiben muss. Er wirkt besorgt. »Sloane, fühlst du dich gut?«, erkundigt er sich ruhig.
Ich habe schon den Mund aufgemacht, um zu antworten. Ich will ihn nicht anlügen, doch ich habe Angst vor der Wahrheit. Und so sage ich nichts.
Kevin runzelt die Stirn. »Okay – eigentlich sollte ich dir das nicht erzählen, aber ich denke, wenn ich es doch tue, wirst du mir eher vertrauen.« Er zögert einen Moment, als sei er unschlüssig, ob er es tatsächlich tun soll. »Ich habe deine Betreuung aus einem bestimmten Grund übernommen«, flüstert er.
Ich hebe den Blick. »Aus welchem Grund?«
Kevin mustert mich plötzlich genauer. »Moment mal – du hast deine Pille heute Abend nicht genommen, nicht wahr? Ich sehe die Panik in deinen Augen.«
»Aus welchem Grund?«, wiederhole ich.
Er antwortet nicht gleich. »Michael Realm. Er hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern.«
Ich wippe auf den Fersen. »Realm? Aber … aber wieso denn? Er ist doch auch ein Patient und …«
»Ich kenne Michael schon ziemlich lange«, sagt er schnell. »Und er hat mich gebeten, ihm diesen Gefallen zu tun. Er hofft, dass ich dich zu ihm bringen kann, wenn es dir besser geht. Ohne dass jemand etwas bemerkt.« Kevin schaut sich kurz um, als habe er Angst, dass jemand mithören könnte. Und ich begreife plötzlich, dass er die Regeln bricht, dass er für das, was er tut, ins Gefängnis wandern könnte.
Aber ich denke, dass er recht hat. Jetzt vertraue ich
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