Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
ihm wirklich.
»Danke, dass du mir das gesagt hast«, erwidere ich ruhig. »Und ich würde Realm gern wiedersehen. Doch er hat gesagt, dass ich warten müsse.«
»Das musst du in der Tat«, bestätigt Kevin und geht zur Autotür. »Aber in ein paar Wochen wirst du wieder in Ordnung sein. Solange du nicht …« Er unterbricht sich und blickt sich erneut um. »Solange du nichts Dummes tust. Und vor allem: Erzähl um Himmels willen niemandem davon! Du würdest uns alle in Schwierigkeiten bringen.«
»Ich werde mich anstrengen.« Mein Magen beruhigt sich wieder. Die Tatsache, dass Realm weiterhin auf mich achtet, gibt mir Sicherheit. Und lässt mich ihn nur noch mehr vermissen. Ganz bestimmt will ich mir nicht selbst die Chance nehmen, ihn wiederzusehen.
Kevin und ich steigen ein. Er startet den Wagen, schaut über die Schulter, als er zurücksetzt.
»Kevin, ich will nie mehr hierher zurückkommen, ja?«, sage ich. »Dieses Center ist mir nicht geheuer.«
Er lächelt und stimmt zu, dann lassen wir das Wellness Center hinter uns.
Am nächsten Morgen wartet Lacey vor der Klasse auf mich. Kevin tritt beiseite, als ich stehen bleibe, um mit ihr zu reden.
L acey zuckt entschuldigend mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht, was gestern Abend los war«, sagt sie, leise genug, dass Kevin es nicht verstehen kann. »Als Liam wieder hereingestürmt kam, dachte ich mir schon, dass er sich blöd benommen hat und du ihm gesagt hast, er soll verschwinden. Manchmal hat er einen neben sich gehen.«
»Ist ja nicht deine Schuld«, erwidere ich. »Wahrscheinlich ist er gar nicht auf die Idee gekommen, dass er irgendwas falsch gemacht hat.«
Lacey nickt und tritt beiseite, als ein paar Schüler an uns vorbei in die Klasse gehen. »Für uns Rückkehrer ist es eben schwieriger«, murmelt sie. »Die Leute wissen mehr über uns als wir selbst. Man kann niemandem mehr vertrauen. Das macht mich ganz …« Sie bricht ab und sieht zu Kevin hin. »Egal«, fügt sie hinzu und wedelt mit der Hand. »Lass uns reingehen.«
Ich stimme zu und folge ihr, und hinter uns geht Kevin, der schließlich seinen Platz im rückwärtigen Bereich der Klasse einnimmt. Wieder schaue ich mich um, denke, dass alle so zufrieden, so locker wirken.
Aber ich habe meine Pille auch heute nicht genommen, und allmählich klärt sich der Medikamenten-Nebel. In e bendiesem Moment dreht sich Lacey nach mir um und lächelt mir zu. Sie steht auch nicht unter Drogen, ist anders als der Rest der Leute.
Und ich frage mich, ob wir beide die einzigen Schüler mit klarem Kopf in dieser Klasse sind.
Als ich in der dritten Stunde in meine Matheklasse gehe, sehe ich eine ganze Reihe Aufgaben an der Tafel. Nachdem ich mich gesetzt habe, hole ich meinen Block heraus und schreibe sie ab, hoffe dabei, dass ich es wenigstens schaffe, eine zu lösen. Mathe ist zu einer Quelle ständigen Frusts für mich geworden.
Ich bin gerade in eine Rechnung vertieft, als neben mir ein Stuhl quietscht. Ich blicke hinüber und erkenne ihn – James. Im Tageslicht sieht er ein bisschen anders aus, oder vielleicht liegt es auch daran, dass ich keine Drogen mehr im Körper habe, sodass die Bilder wieder schärfer werden.
Er hat blondes Haar, millimeterkurz geschnitten. Er trägt ein kurzärmeliges, durchgeknöpftes Hemd, das nicht seins zu sein scheint, denn irgendwie passt es nicht zu ihm. Es verbirgt auch nicht die weißen Narben auf seinem Oberarm.
Ich sehe, dass er mich verstohlen anschaut, doch er wendet sich mir nicht zu. Er lehnt sich sogar weiter vor, holt sein Handy heraus, um etwas zu schreiben oder ein Spiel zu spielen, ich bin mir da nicht sicher.
Während ich ihn beobachte, verspüre ich ein merkwürdiges Gefühl von Aufregung in meinem Bauch. Ich will ihm ein Dankeschön zuflüstern, obwohl ich mich ja bereits bedankt habe. Aber ich habe das Gefühl, dass ich irgendetwas sagen muss. Doch in diesem Moment kommt die Lehrerin herein und bittet uns, unsere Bücher herauszuholen.
Ich konzentriere mich nicht länger auf die Aufgaben von der Tafel, sondern schlage die entsprechende Seite auf. Und wieder werfe ich einen Blick zu James hinüber, der weiterhin etwas in sein Handy tippt.
»James, falls du die Güte hättest …«, ruft die Lehrerin ihm zu und zieht eine Augenbraue hoch.
James reagiert nicht gleich, und ich drehe mich kurz zu Kevin um. Mein Herz klopft wie verrückt, und ich habe Angst, dass dieser Typ noch aus der Klasse geschmissen wird. Doch bevor irgendetwas geschehen
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