Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
Wellness Center? Und was werden die Leute von mir halten, die nicht »Das Programm« durchlaufen haben?
Ich bin anders als sie.
Ich hole tief Luft und setze mich auf die Bettkante, versuche, mich zu beruhigen. Und denke plötzlich, dass ich die Pille doch hätte nehmen sollen, denn im Moment könnte ich diesen Hemmstoff gut gebrauchen. Doch dann sage ich mir wieder, dass ich begreifen möchte, was um mich herum passiert. Und ich bin mir nicht sicher, ob mir das gelingt, wenn ich ständig unter Drogen stehe und völlig benommen bin.
Ich höre es an der Tür klingeln und werfe einen letzten Blick auf mein Spiegelbild. »Wer bist du?«, murmele ich und warte einen Moment, ob meine Erinnerungen mir eine Antwort geben. Doch alles bleibt still.
Ich weiß nicht, was genau ich vom Wellness Center erwartet habe, aber sicherlich nicht das. Ich dachte, es würde eher so sein wie die Anstalt des »Programms« – kalt und steril. Doch dieser Ort hier wimmelt von Leuten, die lachen und sich unterhalten. Ich versuche, mich ihnen anzupassen, zu entspannen. Aber ich kann Lacey nirgendwo entdecken, und meine Angst sticht mich wie mit Nadeln. Doch ich will es mir nicht anmerken lassen, damit Kevin nicht auf die Idee kommt, ich könnte heute Abend meine Pille nicht genommen haben.
»Womit willst du anfangen?«, fragt er und zeigt nach vorn. »Beim Tischfußball dürften noch ein paar Plätze frei sein.«
»Ja«, sage ich und senke den Blick. Ein paar Leute hier sind auf mich aufmerksam geworden, und ich werde unglaublich verlegen. Ich bin nicht sicher, ob ich schon bereit dafür bin.
Wir suchen uns unseren Weg durch die Menge, Kevin hält behütend meinen Am. Einige Leute grüßen mich. Als wir uns dem Tisch nähern, höre ich ein lautes Lachen und erhasche einen Blick auf einen blonden Pferdeschwanz.
»Ich denke, ich komme zurecht«, sage ich schnell zu Kevin und löse mich sanft aus seinem Griff. »Ich will dorthin«, füge ich hinzu und zeige auf die Couch.
Er nickt. Zu meiner Erleichterung geht er zur Wand hinüber, zu einem anderen Betreuer, denn so habe ich wenigstens ein bisschen Privatsphäre.
»Da bist du ja!«, ruft Lacey und steht auf, als ich auf sie zukomme. Auf der Couch sitzen zwei Jungs – Fremde –, und ich nicke ihnen höflich zu. Gott, warum bin ich so nervös?
»Hey«, sage ich, während Lacey mich einer kurzen Musterung unterzieht. Sie öffnet sofort den zweiten Knopf an meiner Bluse und lächelt mir zu.
»Sloane, das ist Evan«, stellt sie mir den dunkelhaarigen Jungen vor. »Und der dort ist Liam.« Dann beugt sie sich vor und flüstert mir zu: »Stell dir vor, Liam ist kein Rückkehrer. Aber da er nicht depressiv ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
Daraufhin sehe ich mir Liam genauer an, registriere sein rotblondes Haar, seine braunen Augen.
Er sieht mich ebenfalls an, und sein Grinsen beunruhigt mich irgendwie. »Setz dich, Sloane«, sagt er und klopft auf den Platz neben sich. »Nett, dich … kennenzulernen.«
Ich will Lacey einen Blick zuwerfen, doch sie hat sich schon wieder auf Evans Schoß gesetzt und redet, als sei das alles hier völlig normal, als wären wir alle schon oft zusammen ausgegangen. Ich drehe mich um und sehe mich noch einmal im Raum um.
Obwohl das Wellness Center klein ist, geht es hier lebhaft zu. Kräftige Farben, mitreißende Spiele mit viel Gelächter. Die meisten Leute hier sind genauso gekleidet wie ich: steif und adrett. Aber es gibt noch ein paar andere, die mit großen Augen den Raum absuchen. Ihre bequeme Kleidung lässt mich vermuten, dass sie keine Rückkehrer sind.
Als mein Blick auf Kevin fällt, nickt er mir zu, als wollte er damit sagen, dass es ganz normal sei, dass ich verwirrt bin. Und ich fühle mich prompt gleich ein bisschen besser.
Ich sitze auf der Couch und zucke zusammen, als Liams Oberschenkel meinen berührt. Mein Verstand versucht, einen Weg durch die unterschiedlichsten Erinnerungen zu finden, holt einige noch einmal hervor und lässt sie nachhallen. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinem Bruder gezeltet habe, nur wir beide. Ich spüre, da ist noch etwas, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, lehnt sich Liam mit seiner Schulter gegen meine.
»Wie lange warst du im ›Programm‹?«, will er wissen.
Ich finde diese Frage fast schon beleidigend, viel zu persönlich, als dass sie mir jemand, den ich gerade erst kennengelernt habe, stellen könnte. Aber wahrscheinlich bin ich zu empfindlich.
»Sechs Wochen«,
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