Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
wie die Kälte, mit der er spricht.
»Und du behauptest, ich sei ein Arschloch?«, sagt James und lacht. »Das ist nicht gerade ein passendes Gesprächsthema in Gesellschaft, findest du nicht auch, Michael?«
»Realm für dich.«
»Na und? Ich nenne dich, wie ich will. Und ich denke, du solltest dich bei Sloane entschuldigen, denn sie scheint mir nicht der Typ zu sein, der es mag, wenn man Vertrauliches über sie ausplaudert.« James steht auf. »Oder soll ich dir lieber eine reinhauen?«
»Nein«, sage ich und schlucke. »Hier wird nicht geprügelt.« Ich sehe James an. »Es ist schon in Ordnung. Glaub mir, es ist in Ordnung.«
James nickt, dann setzt er sich wieder und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ich hab’s nicht so gemeint«, entschuldigt sich Realm. »Und wir haben auch nicht miteinander geschlafen«, fügt er heftig hinzu, an James gewandt, wobei man ihm anmerkt, dass er James lieber im Ungewissen gelassen hätte. »Wir waren … lediglich Freunde.«
»Die sich ein Bett geteilt haben«, brummt James. »Na klar.«
»Realm«, sage ich und ignoriere James’ Bemerkung, »was habe ich dir erzählt? Und wieso weißt du das noch? Ich erinnere mich gar nicht mehr an irgendwas Persönliches von irgendwelchen Leuten.«
Realm lehnt sich wieder gegen die Küchentheke und leert mindestens die halbe Flasche. Ich warte. »Ich will dir das noch mal erklären, Süße. Dein Verstand«, er tippt dabei an meine Schläfe, »ist momentan noch etwas sehr Zerbrechliches. Man hat die Einzelteile wie kostbares Porzellan wieder zusammengesetzt. Ein Riss, um bei dem Bild zu bleiben, kann alles wieder auseinanderfallen lassen. Ich will dir nicht wehtun. Wirklich nicht. Wenn wir noch ein bisschen warten würden …«
Ich beuge mich vor, lege meine Hände auf seine Brust und schaue ihm in die Augen. » Bitte! «
Es scheint, als gäbe sich Realm nun doch geschlagen. Er nickt. »Dein Bruder ist nicht bei einem Rafting-Unfall gestorben, Sloane. Das hat ›Das Programm‹ lediglich erfunden. Brady hat sich selbst umgebracht, und ihr beide, du und James, sein bester Freund, wart bei ihm, als er starb.«
Ich schnappe nach Luft. Bradys Bild erfüllt all meine Ge danken. »Nein«, sage ich und taumele zurück. »Mein Bruder hat nicht … meine Eltern haben erzählt, es wäre ein Unfall gewesen. Warum sollten sie lügen? Warum sollten …?«
Mein Atem geht immer schneller, ich habe das Gefühl, gleich zu hyperventilieren. James ist wieder aufgesprungen, er führt mich zur Couch, hilft mir, mich hinzusetzen.
»Nein«, sage ich noch einmal.
Es bleibt still im Raum, während ich versuche, meine Fassung zurückzugewinnen. Ich durchforsche meine Erinnerungen, suche nach etwas, was zu so etwas Schrecklichem geführt haben könnte. Aber alles, was ich sehe, ist mein glücklicher und lächelnder Bruder. Was könnte mit ihm geschehen sein?
Mit seinen Daumen streicht James unter meinen Augen die Tränen weg. »Es kommt alles in Ordnung, Sloane«, sagt er fest. Und die Art und Weise, wie er es sagt, so überzeugt, schenkt mir ein wenig Sicherheit. Ich wende mich wieder Realm zu.
»Du hättest das nicht vor mir geheim halten sollen«, werfe ich ihm vor. Ich komme mir betrogen vor.
Realm stellt seine leere Flasche auf die Küchentheke, schaut den Kühlschrank an, als wolle er sich noch eine nehmen.
»Das kann dich wieder krank werden lassen, Sloane«, erwidert er. »Ich habe dein Leben aufs Spiel gesetzt, als ich dir das erzählt habe und … O Gott, was mache ich da nur? Es ist noch viel zu früh. Bitte, Sloane, dies ändert gar nichts. Du musst nach vorn schauen. Du bist sicher. Es ist so wichtig für mich, dass du sicher bist.«
Ich fühle, wie angespannt Realm auf einmal wieder ist.
»Was sonst noch?«, frage ich, und meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. »Was weißt du sonst noch? Du musst es mir sagen, Realm!«
Er blickt mich an, kummervoll. Und dann schüttelt er den Kopf. »Das ist alles, was ich dir geben kann. Tut mir leid.«
»Realm …«
»Ich denke, ihr solltet jetzt verschwinden.« Er stößt sich von der Küchentheke ab und geht hinüber zur Tür, entriegelt sie und zieht sie auf. Dabei sieht er uns nicht an.
»Was?«, sage ich. »Nein, du …«
Nun schaut er mich doch an. »Sloane, ich will, dass ihr fahrt.« Seine Worte klingen endgültig.
»Das ist doch Bullshit«, sagt James und steht auf, nimmt meine Hand.
Ich bemerke, wie es in Realms Augen aufblitzt, als James meine Hand ergreift, doch dann
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