Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
wirklich glauben soll, dass Lacey wieder nach Hause gekommen ist. Aber dann nickt er nur und widmet sich wieder seinem Gekritzel. Ohne ein Wort zu sagen.
Sein Schweigen zerreißt mich fast. Ich lege meine Hände auf das kühle Pult, spreize sie, während ich versuche, meine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Ich starre auf meine Finger, auf den herzförmigen Plastikring, der an meinem Ringfinger steckt. James hat ihn mir geschenkt, als er mich das erste Mal geküsst hat – ein paar Wochen, bevor mein Bruder gestorben ist.
Lacey und Miller haben mich immer damit aufgezogen, das wäre wohl das Einzige, was ich je von James bekäme, was annähernd mit einem Diamantring zu vergleichen sei. James hat dann immer gelacht und behauptet, er wüsste, was ich wirklich brauchte, und das würde bestimmt nicht glitzern und funkeln.
Damals, das war eine andere Zeit – als wir noch alle geglaubt haben, wir würden es schaffen. Ich schließe die Augen, um meine Tränen zurückzuhalten.
»Ich denke …« Miller unterbricht sich, als sei er nicht sicher, ob er es aussprechen soll. Als ich zu ihm aufblicke, beißt er sich auf die Lippen. »Ich denke, ich werde zur Sumpter gehen, um sie zu sehen.«
»Miller …«, setze ich an, doch er lässt mich nicht ausreden.
»Ich muss wissen, ob sie sich noch an mich erinnert, Sloane. Solange ich es nicht weiß, werde ich an nichts anderes denken können.«
Ich mustere ihn nachdenklich, erkenne den Kummer in seinen Augen. Nichts, was ich sagen könnte, würde seine Meinung ändern. Weil er sie so sehr liebt.
»Sei vorsichtig!« Das ist alles, was ich hervorbringe.
»Versprochen.«
Meine Furcht ist so groß, dass sie mich fast erstickt. Ich mache mir Sorgen, dass sie Miller an der Rückkehrer-Schule erwischen und er deshalb ausgesondert werden könnte. Man erwartet von uns, dass wir Abstand zu den Rückkehrern halten, es sei denn, wir begegneten uns im Wellness Center, unter ständiger Überwachung. Wenn man uns dabei ertappt, dass wir bei ihrer Genesung dazwischenfunken, können wi r ausgesondert oder sogar festgenommen werden. Und keiner von uns hat Lust darauf, weggeschickt zu werden, um sich angenehm empfindungslos machen zu lassen.
Miller ist während der gesamten Stunde sehr still, doch als es klingelt, nickt er mir zu. Es ist gefährlich für ihn, sich Lacey zu nähern, aber wenn sie noch ihr früheres Ich ist, wird sie wollen, dass er es versucht.
»Bis nachher beim Mittagessen«, sagt er und berührt kurz meine Schulter, bevor er zur Tür geht.
»Bis dann«, erwidere ich und hole schnell mein Handy hervor. MILLER HAT WAS DUMMES VOR , simse ich James.
Ich warte, sitze immer noch auf meinem Platz, während sich um mich herum der Klassenraum leert. Als eine Nachricht auf dem Display erscheint, spüre ich, wie mir die Brust eng wird.
GENAU WIE ICH.
LASS DEN QUATSCH , schreibe ich zurück. Ich bin starr vor Angst, dass der Junge, den ich liebe, und mein bester Freund ausgesondert werden und ich ganz allein an diesem ausgedörrten Ort zurückbleibe. In dieser ausgedörrten Welt.
Doch alles, was James mir antwortet, ist: ICH LIEBE DICH, SLOANE.
James und ich beobachten, wie Miller in der Schlange wartet, wie langsam und schwerfällig seine Bewegungen sind. Er ist nicht mehr derselbe, seit ich ihm von Lacey erzählt habe, und ich hasse mich dafür, dass ich es getan habe. Ich hätte es James überlassen sollen, ihm von der Neuigkeit zu berichten.
Gleich zu Anfang der Mittagspause haben James und Miller beschlossen, dass wir nach dem Unterricht zur Sumpter High fahren und darauf warten, dass Lacey herauskommt. Im Wellness Center kann er nicht mehr als nur ein paar Worte mit ihr sprechen, weil sie dort unter der Bewachung ihrer Betreuer steht, und zwar die nächsten drei Wochen lang. Miller hofft, dass er auf dem Parkplatz der Sumpter High (mithilfe der entsprechenden Ablenkung natürlich) lange genug mit Lacey reden kann, allein, sodass sie sich daran erinnert, wer er ist. Er glaubt, dass er sie zurückgewinnen kann.
James sitzt neben mir, die Arme auf dem Tisch, den Kopf auf die Hände gestützt. Er versucht, ganz lässig zu wirken, aber sein Blick klebt an Miller.
»An der Sumpter werden wir beide für ein bisschen Aufregung sorgen«, sagt James zu mir.
»Und wenn es nicht funktioniert?«
Er verzieht den Mund, sieht mich kurz an. »Ich kann ziemlich aufregend sein, findest du nicht?«
»James, ich vermisse sie ebenfalls. Aber ich möchte nichts tun, was …«
Er
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