Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
hängen, als wir »Bullshit« rufen. Alle lachen.
»Du hast im Leben kein Karo mehr!«, brüllt Derek Shep an. »Weil ich sie nämlich alle habe, Blödmann. Bullshit!«
Ich halte mein Blatt in der rechten Hand, fahre mit dem Zeigefinger der anderen immer wieder über meinen Ringfinger. Die Haut ist so glatt. So nackt. Habe ich dort mal einen Ring getragen?
Das ist wohl das Einzige, was du je von James bekommen wirst, was annähernd mit einem Diamantring zu vergleichen ist . Die Stimme, die unvermittelt in meinen Gedanken erklingt, ist nicht meine. Sie kommt aus einer anderen Zeit, und in dieser Zeit sehe ich einen purpurfarbenen, herzförmigen Ring. Ich stopfe ihn in eine Matratze, doch ich weiß nicht, wieso. Wem gehört der Ring?
»Sloane«, sagt Realm und stößt mit seinem Knie gegen meines. »Ist alles in Ordnung?«
Ich nicke, schaue ihn an, sehe aber nicht wirklich ihn. In mir spüre ich ein seltsames Ziehen – etwas, was an meinem Herzen zerrt. Ich vermisse jemanden. Ich weiß das ganz genau, und doch kann ich das Gesicht desjenigen nicht heraufbeschwören. Es ist wie ein Schmerz, ein Phantomschmerz für etwas, das einmal zu mir gehört hat, doch nun nicht mehr vorhanden ist. Ich weiß, dass ich etwas verloren habe, aber ich weiß nicht, was. Ich zerbreche mir den Kopf, aber ich weiß einfach nicht mehr, ob ich vor dem »Programm« einen Freund hatte. Ob ich noch Jungfrau bin. Ich bin mir selbst zur Fremden geworden.
Dieser Gedanke treibt mir die Tränen in die Augen. Ich will ich selbst sein, stattdessen habe ich keine Ahnung, wer ich eigentlich bin. Ich schlage die Hände vors Gesicht, schluchze in meine Finger, und dann setzt sich Realm zu mir in den Sessel, legt seinen Arm um mich.
»Oh Mann«, höre ich Shep nervös sagen. »Was ist los, Sloane?«
»Ihr geht’s prima«, behauptet Realm und streicht mir über den Oberarm, während ich an seiner Schulter weine.
»Sieht mir aber nicht nach prima aus«, meint Shep.
Ich spüre, wie Realm sich anspannt, doch dann seufzt er. »Sie hat mich nun mal so verdammt vermisst, stimmt’s, Süße?«, scherzt er. »Es muss eine Qual gewesen sein, drei Tage lang nur mit euch Jungs hier herumzuhängen.«
Sie machen dumme Bemerkungen, doch ich spüre, wie die Spannung am Tisch nachlässt.
»Komm mit«, sagt Realm und hilft mir beim Aufstehen. »Das war’s für heut Abend, Jungs!«
Ich traue mich nicht, die Jungs anzusehen, weil mir das alles so peinlich ist, also verberge ich weiterhin mein Gesicht an Realms Oberteil.
»Hey, Mann!«, ruft Derek, und ich höre, wie er die Karten auf den Tisch knallt.
Realm antwortet nicht, führt mich hinaus auf den Flur und zu seinem Zimmer. Bis wir dort sind, sind meine Tränen versiegt, und ich habe mich etwas besser unter Kontrolle, fühle mich aber immer noch so leer.
»Hängst du noch ein bisschen bei mir ab?«, fragt er. Ich nicke, und er lächelt, und dann schleichen wir uns in sein Zimmer.
Ich sitze neben Realms Bett auf einem Stuhl, während er schon im Bett hockt und noch eine Runde Solitär spielt. Es ist schon nach elf, doch bis jetzt ist niemand gekommen, um mich rauszuschmeißen.
Es ist nun drei Tage her, seit Realm zurückgekehrt ist, und jede Nacht durfte ich bei ihm bleiben. Es ist seltsam, und ich bin nicht sicher, ob ich dankbar oder besorgt sein soll. Aber auf jeden Fall ist es besser, als allein zu sein.
»Warum lassen sie uns in Ruhe?«, frage ich.
»Mist!«, stöhnt Realm und legt die Karten weg. »Wie ist es möglich, dass ich nicht gewinne? Ich bin doch der einzige Spieler!«
»Sie haben mich nicht ein Mal in mein Zimmer geschickt. Wieso?«
Realm reckt sich, streckt die Arme über den Kopf. »Vielleicht, weil sie denken, dass wir so ein süßes Paar sind.«
»Ich meine es ernst.«
»Und ich bin müde.« Sein Blick gleitet über mich. »Kommst du zu mir ins Bett?«
Ich blicke zur Tür hin, überlege, ob ich in mein Zimmer gehen soll. Doch als meine Füße den Boden berühren und ich seine Kälte selbst durch die Hausschuhsocken spüre, beschließe ich zu bleiben.
»Tja«, sage ich und tue so, als wolle ich nicht. Er verdreht die Augen und hebt die Decke an, als ich neben ihn rutsche. Er legt einen Arm um mich und seufzt, und ich kuschele mich an ihn.
Genauso verbringen wir jede Nacht, seit er zurückgekehrt ist. Er hält mich fest, und es ist angenehm.
»Das ist gar nicht so übel, oder?«, fragt Realm. »Es gibt ganz sicher schlimmere Dinge.«
»Wir sind im ›Programm‹«, erinnere
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