Du. Wirst. Vergessen.: Roman (German Edition)
gemacht habe. Ich habe keine Ahnung, ob sie die Wahrheit sagt, denn ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich früher war.
Ich gehe in Richtung der Büros und frage mich, ob ich Realm abfangen kann, wenn er herauskommt. Die Tür zu Dr. Warrens Büro ist geschlossen, und ich nehme an, dass Realm noch drinnen ist. Ich lehne mich neben der Tür an die Wand und höre plötzlich eine lautstarke Diskussion.
»Michael«, höre ich Dr. Warren sagen, »sexuelle Kontakte sind nicht erlaubt. Das ist gegen die Regeln, und wir werden dich mit aller Härte bestrafen …«
»Wir schlafen nicht miteinander.«
Das ist Realms Stimme, und ich berühre meine Lippen, fürchte, dass er Ärger bekommen könnte.
»Das hab ich Ihnen doch schon gesagt«, fährt er fort. »Ich tue das, weshalb ich hier bin. Wir haben uns geküsst. Das ist alles.«
Ich stehe draußen neben der Tür, lausche und mache mir Sorgen. Ich dachte, es würde sie nicht stören, wenn Realm und ich zusammen sind, aber vielleicht tut es das doch. Vielleicht haben sie uns sogar die ganze Zeit über beobachtet.
»Selbst damit hast du bereits eine Grenze überschritten. Und ich denke, nach deiner kleinen Auseinandersetzung mit Roger können wir uns nicht noch mehr Scherereien leisten. Tut mir leid, Michael, ich werde dich in eine andere Einrichtung schicken müssen.«
Nein! Panik überwältigt mich, und fast stürze ich in den Raum, um ihn zu verteidigen, doch Realm redet schon weiter.
»Wenn Sie mich jetzt wegschicken, dann gefährden Sie ihre Genesung«, sagt er. »Sloane glaubt sowieso, dass ich nächste Woche entlassen werde. Es gibt keinen Grund, eine Situation zu schaffen, in der Sie ihr als die Böse erscheinen. Es ist bemerkenswert, wie sehr sie sich verändert hat, finden Sie nicht auch?«
Ich habe plötzlich Angst. Eine Gänsehaut kriecht meine Arme hinauf. Was meint er damit?
»Ja, sie hat einen weiten Weg zurückgelegt«, meint Dr. Warren nachdenklich. »Also gut. Diese Woche kannst du noch bleiben, um dieses Stadium der Therapie zu einem Ende zu führen, aber ich warne dich: Hände weg von ihr! Sie könnten sonst ein Gerichtsverfahren gegen ›Das Programm‹ anstrengen.«
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass körperlicher Kontakt Wunder bei der Genesung zu bewirken vermag. Weil dadurch auch Vertrauen aufgebaut wird.«
»Hände weg«, wiederholt Dr. Warren, und ihre Worte klingen endgültig. Dann atmet sie tief aus. »Michael, bist du sicher, dass sie die Therapie beenden kann? Es gibt andere Möglichkeiten …«
»Sie wird es schaffen«, versichert Realm. »Ich brauche nur noch ein bisschen Zeit, um sicherzugehen, dass ihre Erinnerungen tatsächlich alle verschwunden sind. Sie ist im Moment sehr verletzlich.«
Ich stehe da, völlig verwirrt, und versuche zu begreifen, was ich da höre. Ist Realm tatsächlich ein Patient? Ich … ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll. Hat er mich hereingelegt?
»Tja, dann denke ich, dass damit alles erledigt ist«, meint Dr. Warren.
»Fast alles«, sagt Realm ruhig.
Ich stehe immer noch neben der Tür, als sie plötzlich geöffnet wird. Ich presse mich ganz flach gegen die Wand, als Realm herauskommt, mein Herz klopft wie verrückt. Er will schon gehen, bleibt dann aber noch stehen. Ich halte den Atem an.
»Lass dich nicht erwischen, wie du hier stehst«, murmelt er, ohne sich mir zuzuwenden. »Sonst schicken sie dich für noch einmal sechs Wochen woanders hin. Vielleicht sogar für länger.« Er senkt den Kopf, dann geht er den Gang hinunter.
Ich will ihm hinterherrennen und ihn fragen, was das alles bedeutet. Ich will, dass er es mir erklärt. Doch dann trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Realm arbeitet für sie. Er ist mein Freund, mein einziger Freund, aber er ist nicht echt. Realm ist Teil des »Programms«.
O Gott! Realm ist Teil des »Programms« ! Alles, was ich ihm je anvertraut habe, hat er an Dr. Warren weitergetragen – Dinge, über die ich in den Sitzungen nicht sprechen will. Meine Geheimnisse.
Realm . Meine Lippen zittern, doch meine Hand ballt sich zur Faust. Er … er hat mit meinem Verstand gespielt. Er ist nicht besser als sie alle.
Realm sitzt beim Abendessen nicht mit mir zusammen, und ich schaue nicht auf, als er an mir vorbeigeht. Ein paar Leute wollen wissen, ob wir uns gezankt haben, aber ich ignoriere sie. Ich esse so gut wie nichts von dem Hähnchen auf meinem Teller.
Realm ist ein Spitzel, ein Verräter. Ich könnte ihn vor allen Leuten auffliegen lassen, und
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