Dublin Street - Gefaehrliche Sehnsucht
essen gehen.« Ich hielt es für angebracht, das zu erwähnen, damit er nicht dachte, wir würden seine Schwester durch die Gegend schleppen, wenn sie sich nicht wohl fühlte.
»Gut.« Er fing meinen Blick auf. »Jocelyn, das ist Vicky.«
Vicky und ich sahen uns an und lächelten höflich. Sie erinnerte mich stark an Holly: groß, blond, hübsch und ungefähr so natürlich wie eine Barbiepuppe. Aber trotzdem eine Augenweide.
Braden bevorzugte eindeutig einen bestimmten Typ Frau, und zu dem gehörte ich nicht. Kein Wunder, dass er aufgehört hatte, mit mir zu flirten. Sein Sexradar musste bei unserer ersten Begegnung fehlgeleitet gewesen sein, aber nun funktionierte er offensichtlich wieder.
»Hallo, Vicky«, brummte Ellie mürrisch.
Meine Brauen schossen bis zum Haaransatz hoch, ehe ich es verhindern konnte. Sie klang regelrecht angriffslustig.
Ich war beeindruckt.
Und überaus neugierig.
Braden warf seiner Schwester einen beschwichtigenden Blick zu. »Ich hatte gestern Abend eine Verabredung zum Dinner, und Vicky saß am Nebentisch. Wir haben uns verabredet. Dachten, wir könnten irgendwo frühstücken gehen.«
Mit anderen Worten, Vicky hatte am Nebentisch gesessen, und sie hatten etwas miteinander angefangen. Ich schüttelte das seltsame Unbehagen ab, das mich plötzlich überkam. Meine Brust schmerzte, und mir war ein bisschen übel. Vielleicht hatte Ellie gar nicht zu wenig gegessen, sondern wir hatten beide gestern etwas Verdorbenes erwischt.
»Schön, dich wiederzusehen, Ellie«, erwiderte Vicky süß. Sie schien eigentlich recht nett zu sein.
»Hmm«, fertigte Ellie sie barsch ab, verdrehte die Augen und erdolchte Braden mit einem bösen Blick. »Kommst du heute Nachmittag zum Dinner?«
Ich sah, wie ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. Offenbar fand er das Benehmen seiner Schwester ganz und gar nicht lustig. »Natürlich.« Sein Blick wanderte zu mir zurück. »Ich sehe euch beide dann da.«
»Joss kann nicht. Sie hat zu tun.«
Er runzelte die Stirn. »Es sind ja nur ein paar Stunden. Das bisschen Zeit wirst du doch sicherlich noch haben.«
Zur Antwort schmiegte sich Vicky enger an Braden. »Ich würde liebend gern mitkommen, Braden.«
Braden tätschelte ihr etwas gönnerhaft die Hand. »Tut mir leid, Süße. Reiner Familienkreis.«
Und dann geschahen drei Dinge gleichzeitig. Ellie prustete vor Lachen, Vicky wich zurück, als hätte er sie geschlagen, und ich spürte eine Panikattacke herannahen.
Als sich der Nebel um mich zu schließen begann, kämpfte ich mich mühsam durch ihn und meine Verwirrung hindurch. »Verdammt.« Ich trat einen Schritt zurück. »Jetzt habe ich doch glatt vergessen, dass ich Jo versprochen habe, ihr ihre Trinkgelder vorbeizubringen. Heute. Jetzt, um genau zu sein.« Ich winkte entschuldigend. »Ich muss los. Bis später.«
Und dann sah ich zu, dass ich dort wegkam.
»Warum sind Sie weggelaufen?«, fragte Dr. Pritchard. Sie neigte den Kopf zur Seite wie ein neugieriger Vogel.
Ich weiß es nicht. »Ich weiß es nicht.«
»Sie haben Ellies Bruder Braden jetzt schon mehrere Male erwähnt. Wie passt er in Ihr Leben?«
Ich will ihn. »Ich schätze, er ist so eine Art Freund.« Als sie mich nur anstarrte, zuckte ich die Achseln. »Wir haben uns auf eine sehr unkonventionelle Weise kennengelernt.«
Ich erzählte ihr die ganze Geschichte.
»Also fühlen Sie sich zu ihm hingezogen?«
»Das war nur am Anfang so.«
Sie nickte. »Kommen wir auf meine ursprüngliche Frage zurück. Warum? Warum sind Sie weggelaufen?«
Gute Frau, wäre ich hier, wenn ich das wüsste? »Ich weiß es nicht.«
»Weil Braden in Begleitung einer anderen Frau war? Oder weil er angedeutet hat, Sie würden zur Familie gehören?«
»Beides, schätze ich.« Ich rieb mir die Stirn, da ich merkte, dass ich Kopfschmerzen bekam. »Ich möchte, dass er in der Schublade bleibt, in die ich ihn gesteckt habe.«
»Schublade?«
»Sie wissen schon – die Schublade eben. Mit dem Etikett ›Eine Art Freund‹. Wir sind so etwas wie Freunde, aber nicht wirklich gute Freunde. Wir treffen uns, aber wir kennen uns nicht gut. So ist es mir lieber. Vielleicht habe ich bei dem Gedanken Panik bekommen, er könnte denken, es wäre mehr. Dass wir uns irgendwie nahestehen würden. Das will ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich will es einfach nicht.«
Dr. Pritchard schien meinen Ton richtig zu deuten, denn sie nickte und stellte die Frage nicht noch einmal. »Und was haben Sie gefühlt, als Sie ihn mit einer anderen
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