Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
Vom Netzwerk:
er schon die Zeiten vergessen hat, als sein kleiner alter Vater einen Altkleiderladen in Mary’s Lane hatte.
    – Ist das wirklich wahr?, fragte Mr O’Connor.
    – Gott, ja, sagte Mr Henchy. Wusstest du das nicht? Die Männer gingen sonntagmorgens hin, bevor die Kneipen öffneten, um eine Weste oder Hose zu kaufen – versteht sich. Aber Tricky Dickys kleiner alter Vater hatte trickreich immer eine kleine Flasche Schwarzgebrannten in einer Ecke versteckt. Versteht ihr jetzt? So war das. Damals ist ihm zum ersten Mal ein Licht aufgegangen.
    Der alte Mann kam mit ein paar Kohlebrocken zurück und legte sie hier und da auf die Glut.
    – Das ist ja eine starkes Stück!, sagte Mr O’Connor. Wie kann er erwarten, dass wir für ihn arbeiten, wenn er nicht berappen will?
    – Ich kann’s nicht ändern, sagte Mr Henchy. Bei mir wartet wahrscheinlich schon der Gerichtsvollzieher, wenn ich nach Hause komme.
    Mr Hynes lachte, stieß sich mit der Schulter vom Kaminsims ab und schickte sich an aufzubrechen.
    – Es wird alles gut, wenn König Eddie kommt, sagte er. So, Jungs, für heute mache ich Schluss. Bis bald, macht’s gut.
    Er ging langsam aus dem Zimmer. Weder Mr Henchy noch der alte Mann sagten etwas, aber gerade als die Tür sich schloss, rief Mr O’Connor, der bis dahin missmutig ins Feuer gestarrt hatte, plötzlich laut:
    – Mach’s gut, Joe.
    Mr Henchy wartete einen Augenblick, dann nickte er in Richtung Tür.
    – Sag mal, fragte er über das Feuer hinweg, wie kommt denn unser Freund hierher? Was will er?
    – Tja, der arme Joe!, sagte Mr O’Connor und warf seinen Zigarettenstummel ins Feuer. Der ist genauso abgebrannt wie wir alle.
    Mr Henchy zog energisch die Nase hoch und spuckte so reichlich ins Feuer, dass es wütend zischte und fast erloschen wäre.
    – Ich sag dir mal ganz ehrlich, was ich persönlich denke, sagte er. Ich glaube, er gehört zur anderen Seite. Er spioniert für Colgan, wenn du mich fragst. Geh doch mal rüber und versuch rauszukriegen, was die treiben. Dich werden sie nicht verdächtigen. Verstehst du?
    – Ach, der arme Joe ist eine ehrliche Haut, sagte Mr O’Connor.
    – Sein Vater war ein anständiger, ehrlicher Mann, gab Mr Henchy zu. Der arme alte Larry Hynes! Hat seinerzeit viel Gutes getan. Aber ich fürchte sehr, dass unser Freund ein falscher Fuffziger ist. Verdammt noch mal, ich hab ja Verständnis für einen, der abgebrannt ist, aber ich hab kein Verständnis für einen, der andere anschnorrt. Kann er sich nicht wie ein richtiger Kerl benehmen?
    – Ich lass ihn links liegen, wenn er wiederkommt, sagte der Alte. Der soll für seine eigene Seite arbeiten und nicht hier herumspionieren.
    – Ich weiß nicht, sagte Mr O’Connor zweifelnd und holte Zigarettenpapier und Tabak hervor. Ich glaube, JoeHynes ist in Ordnung. Gescheit ist er auch und er ist auch ein fixer Bursche mit der Feder. Erinnert ihr euch, was er damals geschrieben hat ...?
    – Einige von diesen Hillsiders und Fenians * sind ein bisschen zu gewitzt, wenn ihr mich fragt, sagte Mr Henchy. Soll ich euch mal ganz ehrlich sagen, was ich persönlich von diesen Schlaumeiern halte? Ich glaube, die Hälfte von ihnen lässt sich vom Castle * bezahlen.
    – Das kann man nicht wissen!, sagte der alte Mann.
    – Ich weiß das genau, sagte Mr Henchy. Das sind Schmieranten im Sold des Castle. Ich behaupte ja nicht, dass Hynes ... Nein, verdammt nochmal, der ist sich dafür zu schade ... Aber es gibt da einen gewissen scheeläugigen Herrn von Stand – ihr kennt doch alle den Patrioten, den ich meine?
    Mr O’Connor nickte.
    – Bitte schön, da habt ihr einen direkten Nachfahren von Major Sirr * ! O, ja, hat das Herzblut eines Patrioten! Der würde doch sein Land für ein paar Pennys verkaufen – jawohl! – und dann auf die Knie fallen und dem Allmächtigen dafür danken, dass er ein Land zu verkaufen hatte.
    Es klopfte an der Tür.
    – Herein!, rief Mr Henchy.
    Im Türrahmen erschien ein Mann, der wie ein mittelloser Geistlicher oder ein mittelloser Schauspieler aussah. Seine schwarze Kleidung lag eng an seinem gedrungenen Körper an, und es war nicht festzustellen, ob er den Kragen eines Priesters oder einen normalen Kragen trug, denn er hatte den Kragen seines verschlissenen Gehrocks, dessen Knöpfe nicht bezogen waren und im Kerzenlicht glänzten, am Hals hochgeschlagen. Er trug einen runden Hut aus steifem schwarzen Filz. Sein regennasses Gesicht wirkte wie ein Stück feuchter gelber Käse, abgesehen von zwei

Weitere Kostenlose Bücher