Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
langsam zurück zur Tür, die in sein Zimmer führte. Er schüttelte den Kopf.
»Wenn Lorenzo den Anschlag ebenfalls nicht überlebt hätte, wären im Gefängnis jetzt nur noch Leichen. Und nicht nur dort«, sagte er leise. »Florenz hatte Glück im Unglück.«
»Was ist mit seiner Verletzung?«, fragte ich fast gegen meinen Willen.
»Nur oberflächlich. Es gab die Befürchtung, dass die Klinge, mit der Stefano di Bagnone ihn verwundete, vergiftet sei; so hat Antonio Ridolfi, einer von Ser Lorenzos engen Freunden, der sich ebenfalls in die Sakristei gerettet hatte, die Wunde ausgesaugt. Dem Herrn sei Dank, dass Stefano kein Gift verwendete.«
»Wer ist dieser Stefano? Ich sah nur zwei Priester in Begleitung Ser Lorenzos, als das Handgemenge losging.«
»Wie nahe wart Ihr denn dran?«, erkundigte er sich verblüfft.
»Nahe genug.«
Pratini schüttelte den Kopf. Zur Abwechslung schien er wirklich erstaunt zu sein.
»Wo wart Ihr denn während des Hochamtes?«, fragte ich ihn.
»Ich habe die Messe nicht besucht.«
»Nicht? Aber halb Florenz war da.«
»Meine Familie und ich besuchten die Morgenandacht.« Er zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema. »Stefano di Bagnone ist einer der beiden Priester, die Ihr bei Ser Lorenzo gesehen habt. Er ist ein Kaplan im Dienst von Jacopo de’ Pazzi. Der andere gottesfürchtige Mann heißt Antonio Maffei und stammt aus Volterra.«
»Beide sind wirkliche Priester?«
»Ja, man möchte es nicht für möglich halten. Sagt Euch der Name Giovan Battista Montesecco etwas?«
»Der condottiere, der mit seinem Söldnerheer Florenz besetzen sollte?«
»Oh, ich sehe, Ihr seid gut im Bilde. Tatsächlich sollte Montesecco die Stadt in seine Gewalt bringen, sobald Lorenzo und Giuliano tot waren. Montesecco selbst war dazu ausersehen, Lorenzo zu ermorden. Als er erfuhr, dass der Mord in der Kirche während des Hochamtes geschehen sollte, weigerte er sich allerdings. Er hielt die Tat unter diesen Umständen für einen Frevel.«
»Da ist ja wenigstens noch ein Funken Anstand in einem der Verschwörer zu entdecken.«
»Zumindest mehr als in den Männern Gottes. Maffei und Stefano di Bagnone sprangen, ohne zu zögern, für Montesecco ein.«
»Woher kommt dieser Hass?«
Er dachte einen Augenblick nach, als würde es ihm bewusst, dass ich ihn zu einer Aussage bewegen wollte, die auch seine eigene Haltung verraten konnte. »Maffei nahm Ser Lorenzo wohl die Plünderung Volterras durch florentinische Truppen vor ein paar Jahren übel«, erklärte er langsam. »Bagnone war im Dienst der Pazzi; er dachte vermutlich nicht lange nach, ob seine Herrschaft etwas Frevelhaftes von ihm verlangte. Ihr wisst ja: Das Singen von Gottes Liedern macht nicht so satt wie das Essen von meiner Herrschaft Brot.«
»Ihr meint: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.«
»Genau so heißt es. Ich bin doch nicht so gewandt in Eurer Sprache.«
»Ihr seid besser als alle anderen, die ich kenne«, sagte ich und versuchte, die Tatsache zu verdauen, dass er mich ebenso elegant von dem schwierigen Thema weggelockt wie ich ihn hingeführt hatte.
»Montesecco wurde übrigens gefangen, als er versuchte, die Stadt heimlich zu verlassen«, erklärte Pratini. »Scheinbar bereut er seinen Anteil an der Verschwörung, denn er gibt bereitwillig über alles Auskunft.«
»Und woher wisst Ihr so gut darüber Bescheid?«
»Ihr seid ein Kaufmann wie ich. Bestimmt habt Ihr in Eurer Heimat ebenso gute Quellen wie ich hier.«
»Hier habe ich überhaupt keine Quellen, und doch muss ich versuchen, meine Gefährtin vor dem Galgen zu retten.«
»Euch selbst auch«, sagte er mit überraschender Offenheit. »Es ist Euch hoffentlich klar, dass man auch nach Euch sucht.«
»Mein Schwiegersohn lässt keine Stunde vergehen, ohne mich darauf hinzuweisen. Was macht Ihr aus der ganzen Situation? Werden mich Eure Knechte fesseln, sobald ich versuche, Euer Haus zu verlassen?«
»Warum sollte ich so etwas veranlassen?«
»Aus Patriotismus? Vielleicht ist Jana wirklich an der Verschwörung beteiligt und ich ihr williger Helfer? Oder aus Vergeltung für Venedig?«
»Ich hege keine Rachegefühle. Weder gegen Euch noch gegen Jana Dlugosz. Und was meinen Patriotismus betrifft: Wenn ich Euch ausliefere, muss ich selbst einige unangenehme Fragen beantworten. Immerhin habe ich Euch in mein Haus gelassen; meine Schwester hat sich mit Euch unterhalten, anstatt Euch sofort den Behörden anzuzeigen.«
»Soll das heißen, meine Gefangennahme
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