Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
das Gefühl, ihm den Rücken zuzuwenden. Ich drehte mich unwillkürlich um, aber er lächelte nur und wies mit der Hand in den Türrahmen. Ich redete mir ein, dass dieser Besuch nicht vergeblich gewesen war; immerhin hatte er mich nicht der signoria ausgeliefert. Das Prickeln in meinem Nacken verging trotzdem nicht. Ich war froh, wieder aus seiner Gegenwart zu verschwinden und mich irgendwo in der Nähe auf die Lauer zu legen, um Gutswalters Rückkehr abzupassen. Eine Maus hat das gleiche Gefühl, wenn die Katze ihr wieder ein wenig Spielraum gibt. Ich marschierte an seinem mit Pergamenten überladenen Tisch vorbei. Die Zeichnung des Gebäudes war nicht mehr zu sehen; er musste sie unter den Stapel geschoben haben, als er sich am Tisch abstützte.
Am Fuß der Treppe, die ich hinter einem der vielen dienstbaren Geister des majordomus hinabstieg, wartete das Mädchen, das ich als die Zofe von Beatrice Federighi kennen gelernt hatte. Sie nickte mir zu und reichte mir einen kleinen, gefalteten Pergamentfetzen. Während der Domestike geduldig wartend ins Leere blickte, faltete ich die Nachricht auseinander. Sie war von Beatrice, und ich war weder über den Inhalt besonders erstaunt noch über die Tatsache, dass sie schreiben konnte. Sie bat mich, nach dem Besuch bei ihrem Bruder auch ihr meine Aufwartung zu machen. Ich blickte die Zofe an und fragte mich, wie lange sie am Fuß der Treppe stehen geblieben wäre, wenn ich Pratinis Einladung angenommen hätte, in seinem Arbeitszimmer auf Rudolf Gutswalter zu warten.
»Bene«, sagte ich. »Ich komme der Bitte deiner Herrin nach.«
Sie redete meinen Begleiter auf Florentinisch an, und dieser sah von ihr zu mir und zuckte dann mit den Schultern. Als ich Beatrices Zofe durch den Lagerkeller folgte, lief er hinter mir her. Ich hatte nicht verstanden, was sie zu ihm gesagt hatte, aber ich konnte mir denken, dass es eine Aufforderung war, mit uns beiden zu Beatrice zu gehen, damit sie nicht ins Gerede kam, wenn ein Mann sie ganz allein und ohne Aufsicht besuchte. Beatrices gelassene Umsicht zwang mir ein Lächeln ab.
Der Lagerraum besaß eine niedrige, schmale Holztür an einer der Schmalseiten, die eine steil nach oben führende Steintreppe verbarg. Wie die Holztreppe in das erste Geschoss zu Antonio Pratini hinauf verriet sie das Alter des Gebäudes und dass es weniger zur Behausung als zur Verteidigung seiner Bewohner erbaut worden war. Die Treppe war lang und führte weiter hinauf als in das erste Geschoss, bis wir in so etwas wie einem Seitenflügel des Hauses ankamen. Beatrice lebte mit der Familie ihres Bruders unter einem Dach, aber sie teilte sein Leben nicht.
»Ich freue mich, dass Ihr meiner Bitte gefolgt seid«, sagte sie und stand auf, als wir durch eine weitere Tür in ihre Räumlichkeiten traten. Das große Zimmer war spartanisch eingerichtet: ein paar große Truhen, am Fenster ein Tisch mit zwei Hockern, deren bauchig geschwungene Armlehnen an die Zeiten von Julius Caesar erinnerten, und ein Bett hinter einem von der hohen Decke herabfallenden Vorhang. Die Wände waren kahl bis auf diejenige Seitenwand, auf die beim Eintreten als Erstes der Blick fiel; dort hing ein eher großformatiges Bild, eine Madonna mit Kind und zwei Engeln, die vor einem steinernen Rahmen mit einer wilden Landschaft saßen. Die Mutter Gottes war zarter und anmutiger als gewöhnlich, mit einer elaboraten Frisur aus Locken, Seidentüchern und einem Perlen-Diadem. Als Beatrice auf mich zukam, erkannte ich, dass sie für die Madonna Modell gesessen haben musste. Der Künstler hatte sie duldsamer und weicher dargestellt, als sie in Wahrheit wirkte, aber es waren ihre hohe Stirn, ihre spöttisch gewölbten Brauen und ihr schmales, blasses Gesicht. Sie folgte meinem Blick und ‘wurde ein bisschen rot.
»Das ist von Filippo Lippi«, sagte sie, »dem berühmten Lehrer Sandro Botticellis. Ich war damals fünfundzwanzig. Ich würde es nicht dort hängen lassen, wenn nicht Matteo es in Auftrag gegeben hätte. Matteo war mein Mann.« Sie schwieg und senkte den Blick.
»Es gefällt mir, wie Ihr wohnt«, sagte ich. Der Raum war im Wesentlichen leer, ganz anders als das Arbeitszimmer ihres Bruders – und ebenfalls anders als jeder Raum, den ich mit Jana jemals bewohnt hatte. Jana hatte eine Angewohnheit, jede Räumlichkeit sofort zu ihrer eigenen zu machen und ihre Dinge darin zu verstreuen, als müsste sie ihr Revier markieren; oder eher, als sei plötzlich eine ihrer Truhen mit großer Wucht
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