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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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zerplatzt. »Es entspricht meinem eigenen Geschmack«, fuhr ich fort und meinte es so.
    »Danke. Ich fühle mich beengt, wenn ein Raum so voll ist; und da ich nicht viel zum Leben brauche, gibt es auch nichts, mit dem ich meine Räumlichkeiten vollstopfen könnte.«
    Ich deutete auf den Tisch am Fenster und das schwarz-weiß gemusterte Brett darauf. »Spielt Ihr Schach?«
    »Nein, es ist Trick-Track. Kennt Ihr das Spiel?«
    »Die weißen Steine kämpfen gegen die schwarzen. Wer einen überspringt, darf den übersprungenen Stein an sich nehmen. Natürlich kenne ich es. Ich habe es seit Jahren nicht mehr gespielt.«
    – Nicht mehr seit Marias Tod.
    »Wollt Ihr eine Partie mit mir spielen?«
    »Ich enttäusche Euch ungern. Ich habe keine Zeit. Außerdem bin ich zu sehr eingerostet, um ein ebenbürtiger Gegner zu sein.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Schade. Es wäre bestimmt ein sehr interessantes Spiel geworden.«
    »Weshalb?«
    »Bislang habe ich nur gegen mich selbst gespielt. Ich weiß, was ich denke, und kenne daher alle Züge. Ihr und ich, wir sind uns so ähnlich, dass es mich interessiert hätte zu erfahren, wie es ist, gegen jemand zu spielen, mit dem ich auch meine Gedanken teile, aber nicht die Züge vorhersehen kann.«
    Ich brauchte ein paar Momente, um ihre Worte zu verdauen. »Es wird ein anderes Mal geben.«
    »Ich hoffe es.«
    Sie ging zum Fenster hinüber und setzte sich auf einen der Hocker. Nach kurzem Zögern folgte ich ihr und setzte mich ihr gegenüber. Beatrices Zofe und der Domestik blieben an der Tür stehen und taten aus Leibeskräften so, als gehörten sie zum Mobiliar. Ich sah auf das Spielfeld. Die schwarzen Steine schienen einen erfolgreichen Zug gemacht zu haben, denn am Spielfeldrand lagen vier geschlagene weiße, aber sie waren zu tief ins Feindesland eingedrungen und von allen Seiten umzingelt.
    »Schwarz wird verlieren«, sagte ich.
    »Schwarz verliert immer.«
    »Wenn die schwarzen Steine dies wüssten, würden sie trotzdem antreten?«
    Sie ergriff einen der geschlagenen weißen und sah mich einen Augenblick an. Ihre Hand klopfte nachdenklich mit dem Stein auf die Tischplatte. »Ich weiß es nicht. Beantwortet Ihr die Frage.«
    »Warum gerade ich?«
    »Weil Ihr mir vorkommt wie die schwarzen Steine.«
    »Und in welcher Beziehung?«
    Sie hörte zu klopfen auf und warf den Stein auf den Tisch. Auf ihrer Stirn stand eine ärgerliche Falte.
    »Ich erzähle Euch etwas«, sagte sie gepresst. »Etwas von mir und Antonio. Ich war das jüngste Kind unserer Familie, Antonio der Älteste. Meine Mutter starb bei meiner Geburt; mein Vater gab mich zu seinem Bruder Alessandro in Pflege. Als Alessandros Frau starb, war das für mich, als sei meine Mutter gestorben. Ich kam zurück in mein Elternhaus, und Antonio nahm sich meiner an. Er ließ mich an seinen Studien teilhaben, griechische und römische Klassiker, und lehrte mich lesen, schreiben und musizieren. Schließlich verließ er mich, um eine Lehre anzutreten. Ich war sieben Jahre alt und untröstlich. Zum zweiten Mal hatte ich den Menschen verloren, der das Zentrum meines Lebens war. Doch mit Antonio war es anders als mit meiner Tante. Antonio kam zurück. Er kam immer wieder zurück. Als ich vom Mädchen zur Frau wurde, war er derjenige, der sich um ein Kräuterweib kümmerte, das mir die Sachlage erklärte. Als ich mich zum ersten Mal in einen jungen Mann verliebte, war er da, um ihn in Augenschein zu nehmen; als ich soweit war zu heiraten, suchte er mir den Mann aus, den ich zu lieben lernte wie keinen anderen – Matteo Federighi. Und als Matteo vor einem Jahr starb, ließ er mich diese Räume in seinem Haus beziehen. Ich konnte nie etwas für ihn tun, um es ihm zu vergelten. Aber ich werde es nicht zulassen, dass sein Name in den Schmutz gezogen wird und er selbst und seine Familie in Gefahr geraten.«
    »Warum seid Ihr denn so wütend? Ich habe Eurem Bruder nichts zu Leide getan. Im Gegenteil – ich bin darauf angewiesen, dass er mich nicht an die Behörden ausliefert.«
    Sie holte tief Luft und sah mich an. Schließlich senkte sie den Blick. »Ich möchte nur, dass Ihr wisst, was er mir bedeutet. Welche Angst ich davor habe, dass er in die Geschichte mit Giuliano de’ Medici hineingezogen wird.«
    Ich fühlte mich versucht zu sagen: Fürchtet nichts, niemand will Eurem Bruder etwas Böses. Stattdessen hörte ich mich sagen: »Wenn er etwas damit zu tun hat und keinen Finger rührt, um Jana zu helfen, dann werde ich ihn

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