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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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hineinziehen, so wahr ich hier sitze.«
    »Ihr seid erschöpft«, seufzte Beatrice.
    »Das wärt Ihr auch an meiner Stelle.«
    »Und so verzweifelt.«
    Ich schwieg einen langen Moment. »Vielleicht auch das«, knurrte ich schließlich.
    »Wie ist Euer Gespräch mit Antonio verlaufen?«
    »Ich würde es nicht als Gespräch bezeichnen. Er hat viel Zeit damit verbracht, mir sein Lieblingsprojekt vorzustellen.«
    »Die Bildhauerwerkstatt?«
    »Ja. Es ist sein Ehrgeiz, die Werkstatt von Lorenzo de’ Medici zu übertreffen und eher als er einen neuen Donatello hervorzubringen. Er holt sich seine Talente direkt aus dem Kindbett, wie mir scheint.«
    Beatrice schüttelte den Kopf. »Das ist nicht sein Ehrgeiz. Oder zumindest nur zum geringsten Teil«, sagte sie versonnen. Ich zog die Augenbrauen in die Höhe. »Dann hat er mir nicht alles mitgeteilt«, erwiderte ich trocken. »Oder ich habe nicht alles gehört.«
    »Ihr seht ihn mit den falschen Augen. Ihr seht ihn so wie Eure Gefährtin. Ihr müsstet seine Geschichte kennen, dann würdet Ihr verstehen, was er vorhat.«
    »Erzählt sie mir.«
    »Das wäre ein Vertrauensbruch. Es ist seine Geschichte.«
    »Ich bezweifle, dass er und ich jemals Freunde genug werden, um die Geschichte aus seinem Mund hören zu können.«
    Sie ließ die Schultern hängen. »Warum sagt Ihr das? Ihr lasst Euch vom Urteil anderer Menschen blenden.«
    »Es ist Janas Urteil, und ich habe genug eigenes…«, begann ich, aber sie unterbrach mich. »Jana hat nicht das Recht, sich ein Urteil über ihn anzumaßen!«, rief sie. »Wie sie ihn in Venedig übertölpelt hat, wirft alles andere als ein gutes Licht auf ihre eigene Integrität. Und was man ihr hier in Florenz vorwirft, noch weniger.«
    »Was man ihr hier vorwirft, ist Unsinn.« Sie sah mich an, und ich musste zu meiner Beschämung die Augen senken. »Absoluter Unsinn«, murmelte ich.
    »Ihr seid so sehr wie Matteo«, sagte sie. Der Tonfall ihrer Stimme ließ mich aufblicken. »Und doch so anders.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Er war immer so sehr bestrebt, an das Gute im Menschen zu glauben. Und so verzweifelt bemüht, das Richtige zu tun. Egal, ob es sich darum handelte, eine großzügige Spende zu tätigen oder einen Unschuldigen aus dem Gefängnis zu holen.«
    »Und ich bin nicht so?«
    Sie lächelte. Plötzlich bemerkte ich, dass ihre Hand neben dem Spielbrett lag. Sie war nicht weit von meiner eigenen Hand entfernt. Sie war tatsächlich so nahe, dass ich mich nicht einmal hätte vorzubeugen brauchen, um sie zu ergreifen.
    »Doch«, erwiderte sie langsam. »Aber es gibt einen Unterschied: Ihr habt zu viel erlebt, um noch so rückhaltlos glauben zu können, wie Matteo es tat, und weil dies so ist, würdet Ihr auch nie das Ende finden, das er fand.« Sie sah zum Fenster hinaus. Ihre Hand bewegte sich nicht. »Matteo hatte eine behütete Kindheit, einen ungebrochenen beruflichen Erfolg, er genoss Ehre und Ansehen und brachte es bis zum Vorsitzenden der Zunft der Baumeister, er hatte eine liebende Frau, und wenn das alles nicht gewesen wäre, dann wäre vielleicht sein Tod nicht so schlimm gewesen.«
    Der Klang ihrer Stimme ließ mich davon Abstand nehmen, nach den Umständen seines Todes zu fragen. Sie sah ins Leere, dann gab sie sich einen Ruck. »Erzählt mir etwas über Euch.«
    Ich lachte nervös auf. »Was wollt Ihr denn hören?«
    »Was Euch zu dem gemacht hat, das Ihr heute seid.«
    »Du meine Güte. Da sind viele kleine Dinge. Ich habe so viel Schlechtigkeit gesehen…«
    »Nein. Ich meine den Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
    Ich sah auf ihre Hand, die weiterhin unbeweglich neben meiner lag. Ich sah das tränenüberströmte Gesicht der Mutter, deren Sohn von seinem besten Freund mit einer falschen Anschuldigung ins Gefängnis gebracht worden war und den ich buchstäblich in letzter Minute vor dem Galgen gerettet hatte; ich sah die tuchverhüllten Leichen der Mädchen in jenem unseligen Gutshaus zwischen den Fronten des Markgrafenkrieges und den blinden Schmerz in den Augen ihres Vaters; ich sah das Gesicht eines alten Flößers, der mir bei der Klärung eines Mordfalles zu helfen versucht hatte und deshalb vom Mörder in der Isar ertränkt worden war. Ich sah Janas Gesicht an jenem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet waren und sie herauszubekommen versucht hatte, wie viel ich über sie wusste.
    »Ich könnte Euch von einem Tag erzählen, an dem mein Leben endete«, sagte ich rau. »An dem ich an meinem

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