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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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reden konnte. Sie musste meinen Blick gefühlt haben, denn sie sah auf und zu mir herüber. Ihre Augen verengten sich, als sie sich zu erinnern versuchte, bei welchem Anlass sie mein Gesicht schon gesehen hatte.
    »Wartet auf mich«, stieß ich hervor. »Aspettare. Si?«
    Ich wartete ihre Antwort nicht ab. Stattdessen hastete ich zum Fondaco hinüber. »Tredittore! Kleinschmidt!«, brüllte ich schon auf der Treppe. »Irgendwer!«
    Mein Schwiegersohn blieb aus; nur Stepan Tredittore stürzte aus der Kammer und sah sich um. Sein Haar stand wild zu Berge; er schien geschlafen zu haben.
    »Wo ist mein Schwiegersohn?«, rief ich ihm entgegen.
    Er zuckte mit den Schultern. »Irgendwo in der Stadt«, brummte er uninteressiert. »Hat irgendwas gesagt, dass das Geschäft keine Rücksicht auf die Umstände nimmt oder so ähnlich.« Er machte Anstalten, sich wieder in unser gemeinsames Zimmer zurückzuziehen. »Sein Schreiber weiß mit Sicherheit, wo er ist.«
    »Ich brauche einen Dolmetscher. Los, kommt mit.«
    »Jetzt sofort?«
    »Natürlich. Beeilt Euch gefälligst.«
    Er gestikulierte zur geschlossenen Tür der Kammer. »Also, ich…«
    »Worauf wartet Ihr noch?« Dann ging mir ein Licht auf. Sein Haar war nicht vom Schlaf zerrauft. Eine heiße Wut stieg in mir auf. »Ihr habt eine Frau da drin.«
    »Ein Mädchen; aus der Küche…«
    »Ihr habt einen Hang zum Gesinde«, sagte ich garstig. »Werft sie raus und kommt mit, oder ich schwöre, ich lasse Euch hier rauswerfen.«
    »Aber hört mal…«
    »Ich habe keine Zeit zu diskutieren. Seit ich Boehl bezahlt habe, was die Fugger ihm schuldeten, bin ich Zunftmitglied. Ihr seid mein Gast! Also beeilt Euch, oder Ihr schlaft heute Nacht im Rinnstein!«
    Ich polterte die Treppe hinab, schwer atmend vor Zorn. An ihrem Fuß wartete ich und versuchte, etwas zu finden, was ich zwischen meinen Fingern zerquetschen konnte. Tredittore folgte mir schneller, als ich es selbst für möglich gehalten hätte. Er schaffte es, gleichzeitig schuldbewusst und gekränkt auszusehen. »Wenn Ihr mir eher gesagt hättet, dass Ihr meine Hilfe braucht…«
    Ich stürmte los, und er folgte mir, ohne weiterzusprechen. Im Laufen strich er sich das Haar mit beiden Händen glatt. Er fragte nicht einmal, wohin ich mit ihm wollte, bis er das Gefängnis und die drei wartenden Frauen davor sah. Ich dankte Monna Cerchi im Stillen dafür, dass sie geblieben war.
    »Das Gefängnis?«, rief Tredittore. »Was wollt Ihr denn hier? Wir beide sollten wirklich nicht in seine Nähe…«
    Ich verlangsamte meinen Schritt und hatte einen hässlichen Moment, als ich sah, dass Monna Cerchi zu Boden gesunken war und ihre Begleiterinnen aufgeregt um sie herumflatterten. Dann erkannte ich, dass sie das Gesicht in den Händen begraben hatte und ihre Schultern zuckten. Meine Wut auf Tredittore verblasste so schnell, wie sie gekommen war.
    »Ich muss mit der Frau dort sprechen«, sagte ich rau. »Ihr müsst mir übersetzen.«
    Tredittore trottete nur unwillig heran. Er schien Violante Cerchi nicht zu kennen, und mein Misstrauen flackerte empor, bis mir klar wurde, dass Jana ihn vermutlich nicht in Cerchis Haus mit hineingenommen hatte. Und selbst wenn, hätte er dort die Frau des Hausherrn schwerlich zu Gesicht bekommen. »Monna Cerchi?«, sagte ich sanft. Sie hob den Kopf und starrte mich tränenblind an. »Danke, dass Ihr geblieben seid. Wir haben uns gestern gesehen, erinnert Ihr Euch?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich sprach zu Beatrice Federighi. Antonio Pratinis Schwester.«
    Der Name drang zu ihr durch. Ihre Lippen verzogen sich. Ihr Gesicht war fleckig und aufgedunsen, und ohne die übliche Farbe wirkten ihre von allen Gesichtshärchen befreiten Züge wie die einer Puppe, die jemand weggeworfen hat.
    »Ich bin kein Freund von Pratini«, sagte ich schnell. Violante Cerchi musterte mich misstrauisch. Dann atmete sie zitternd ein und sagte: »Ich bin geblieben, weil es keinen anderen Platz für mich gibt.«
    »Wie geht es Eurem Mann?«
    »Wozu wollt Ihr das wissen?«
    Ich schwieg einen langen Moment. Tredittore sah mich erwartungsvoll an. »Von seiner Stärke hängt die Unversehrtheit eines anderen Menschen ab.«
    »Von seiner Stärke hängt sein und mein Leben ab.«
    Ich neigte den Kopf. »Ihr habt Recht«, sagte ich.
    »Ihr seid nicht von hier! Was kümmert Euch, was im Gefängnis geschieht? Habt Ihr etwa einen Bekannten dort drin?« Sie spie mir die Worte förmlich vor die Füße. »Warum holt Ihr ihn nicht einfach

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