Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
heraus? Für Euch Ausländer gelten doch eigene Gesetze! Oder geht es um jenes ausländische Weib, das am Ostertag bei uns war?«
»Ein guter Freund von mir wurde verhaftet. Er ist Florentiner. Für ihn gelten die Gesetze des Zunfthauses nicht.«
»Wie heißt er?«
»Paolo Boscoli.« Ich sah Tredittore an, aber dieser übersetzte mit unbewegter Miene.
»Boscoli? Einen schönen Freund habt Ihr! Hat es mit dem Pazzi-Gesindel gehalten.«
»Ich wusste nichts davon. Und jetzt muss ich mich um ihn kümmern. Er ist mein Freund, und ich habe die Pflicht, ihm beizustehen.«
»Die habt Ihr, das ist richtig! Auch wenn Ihr Eure Anständigkeit verschwendet. Die Freunde meines Mannes haben nicht so viel Anstand, und dabei wissen sie, dass er unschuldig ist.«
»Ich glaube Euch, Monna Cerchi. Sagt mir, wie es ihm geht.«
»Ihr wollt wissen, ob er gestanden hat? Ob er es tut oder nicht, rettet Euren Freund Boscoli auch nicht. Der hat nämlich schon gestanden! Kaum dass sie ihn einmal aufgereckt hatten. Aber Benozzo«, ihre Stimme schnappte plötzlich über, »o mein Herz, Benozzo. Sie haben ihn schon zweimal befragt, und…« Ihre Stimme ging in einem Schluchzen unter, und ihre Begleiterinnen streichelten ihre Schultern und den weißen Schleier auf ihrem Haupt und sahen mich böse an. Was immer sie sagen wollte, quälte sich zwischen ihrem Schluchzen hervor, und ich verstand nicht mehr als die Verzweiflung, die dahinter steckte. Tredittore fragte ein paarmal nach. Schließlich schüttelte sie den Kopf und ergab sich dem Weinen ganz, und ich zupfte Tredittore am Ärmel und zog ihn weg.
»Habt Ihr etwas von dem verstanden, was sie sagte?«, fragte ich und dirigierte ihn zum Fondaco zurück. Er presste die Lippen zusammen und brummte: »Ja, jedoch nicht alles.«
»Na, sprecht schon!«
»Sie haben Cerchi gestern zum ersten Mal befragt. Er hat alles geleugnet. Dann ließen sie ihn sich ein wenig erholen und holten ihn zum zweiten Mal. Diesmal mit allen Schikanen: Aufziehen mit einem Gewicht an den Beinen, Daumenschrauben, Wasser einflößen…« Er schüttelte sich. Offenbar hatte er sich selbst vor Augen, wie er anstelle Benozzo Cerchis der peinlichen Befragung ausgesetzt war. Ich hatte nur Jana vor Augen, und mein Herz klopfte laut und hart. »Er hat wieder alles geleugnet. Hartnäckiger Bursche. Heute Nachmittag haben sie den Verwandten erlaubt, die Gefangenen zu besuchen, und da…«
»Was sagt Ihr da? Heute Nachmittag?«
»Ja, das hat sie gesagt.«
»Mein Gott! Ich hätte Jana vielleicht aufsuchen können!«
»Ihr solltet daran denken, dass man Euch sicherlich immer noch sucht.«
»Nicht besonders dringlich, sonst wären sie schon längst im Fondaco erschienen. Wo sonst sollte ich mich verstecken? Zunftgesetze hin oder her, wenn sie mich wirklich wollen, werden sie darauf keine Rücksicht nehmen. Mein Gott, Jana…«
Sie würde spätestens jetzt überzeugt sein, dass alle sie verlassen hatten.
»Wollt Ihr den Rest hören?«
Ich nickte ohne Elan. Das Gefängnis würde vor Besuchern gesummt haben. Während ich Jana im Trubel ohne große Gefahr hätte sprechen können, war ich bei Beatrice Federighi gewesen und hatte vergeblich gegen das Verlangen gekämpft, ihre Hand zu halten. Ich spürte, wie mir übel wurde. Zugleich spürte ich die sanfte Berührung von Beatrices Fingern.
»Cerchi hat auch beim zweiten Mal nicht gestanden. Aber er ist gebrochen. Er hat seine Frau gefragt, was er tun soll. Sie hat ihm geraten, weiterhin zu leugnen – na ja, für sie ist es: bei der Wahrheit zu bleiben. Jedenfalls können sie ihn nur noch einmal befragen. Wenn er nicht einknickt, müssen sie ihn danach freilassen. Sie hat zu ihm gesagt, wenn er nachgibt, ist er tot. Er sagte: Wenn ich es nicht tue, bin ich es auch. Ein drittes Mal überlebe ich nicht. Wenn sie mich hineinführen, schwöre ich, Jesus Christus verraten zu haben. Der Tod kann nicht schlimmer sein als das, was sie mir bereits angetan haben.«
»Sobald er geredet hat, nehmen sie Jana dran«, sagte ich dumpf. »Wenn sie es nicht schon getan haben.«
»Sie haben ihm bis übermorgen Zeit zum Nachdenken gegeben«, erwiderte Tredittore. »Scheinbar geht es ihm nicht so besonders, wenn sie so viel Zeit verstreichen lassen. Sie wollen, dass er sich wieder ein wenig erholt. Wenn er während der Befragung stirbt, ist die Schuldfrage ungeklärt, und die Richter müssen sich selbst ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen.« Er betrachtete mich einen Augenblick lang
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