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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Fingers seines Kollegen. Schließlich stand er mit abgewinkelten Ellbogen und weitgespreizten Händen über dem Folianten und presste seine Blätter auf die Unterlage. Der andere Mann winkte uns heran, und über und unter den Ellbogen und den Schultern des Jünglings wurde uns ein Blick auf eine Zeile zuteil, die im Wesentlichen aus Zahlen bestand.
    »Die nehmen’s aber genau«, brummte Tredittore.
    Kleinschmidt studierte den sichtbaren Eintrag und verglich ihn mit den Daten über Janas Konto, die Tredittore ihm heute Morgen sichtlich widerwillig auf einen Fetzen Pergament gekritzelt hatte. Dann sagte er, an Tredittore gewandt, damit unser kleines Schauspiel nicht aufflog: »Es ist ihr Konto, alles stimmt überein. Das hier ist eine Überweisung an Umberto Velluti, beauftragt und getätigt am siebzehnten April.«
    »Einen Tag nach unserer Abreise aus Venedig«, erklärte ich grimmig. »Fragt ihn, ob es Transaktionen vorher gibt.«
    Der Bankangestellte verneinte. Tredittore bat ihn um den nächsten Eintrag, und das Spiel mit dem Suchen, Finden und ungraziösen Verdecken der anderen Zeilen begann von neuem. Ich betrachtete es ohne Amüsement und fragte mich, wann Jana ihren Plan in die Tat umzusetzen begonnen hatte. Ich hatte erwartet, dass sie noch in Venedig die ersten Fäden gezogen hätte -gleich nachdem Stepan Tredittore zu uns gestoßen war. Aber er hatte uns bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft aufgesucht, und wir waren zehn Tage in Venedig geblieben. Zeit genug, um die ersten Transaktionen von der Lagunenstadt aus zu tätigen anstatt beschwerlich über Brieftauben auf der Reise. Vielleicht hatte sie einige Zeit gebraucht, den Plan zu ersinnen; aber ich hatte sie nicht nachdenklich gesehen während der restlichen acht Tage nach dem Eintreffen Tredittores. Sie hatte sich nach den schlechten Nachrichten aus Krakau geradezu mit Verbissenheit in die Aufgabe gestürzt, Antonio Pratini bei der Gewürzgeschichte auszustechen; und in den Nachtstunden hatte ich sie nicht mögliche Szenarien ihrer tollkühnen Idee skizzieren sehen, sondern sie im Arm gehalten und das wütende Schluchzen zu beruhigen versucht, mit dem sie den Tod ihres Vaters und die Intrigen ihrer Vettern beklagte.
    Es gab nur einen weiteren Geldtransfer, und dieser war ebenfalls auf der Reise entstanden: an Bieco Alepri. Es war der gleiche Betrag wie bei Umberto Velluti.
    »Ist das alles?«
    Tredittore fragte nach und nickte; dann machte er eine nachlässige Handbewegung, mit der er die beiden Bankangestellten entließ. Sie klappten den Folianten zu und machten Anstalten, ihn wegzuschließen. Ich sah nachdenklich in Kleinschmidts Gesicht, der mich erwartungsvoll anstarrte. »Einen Augenblick«, sagte ich. »Wie hoch war der Betrag, für den die Fugger-Filiale in Bologna gradestand?«
    Tredittore sah mich überrascht an. »Wie meint Ihr das?«
    »Sie werden Jana wohl nicht unbegrenzt Kredit gegeben haben. Es muss eine Vereinbarung geben, wie hoch der Kreditrahmen war, innerhalb dessen sie in Florenz Wechsel ziehen konnte.«
    »Wozu wollt Ihr das wissen?«
    »Jana hat zu fünf Männern Kontakt aufgenommen. Was sie von Nori wollte, können wir uns nur denken, aber es wird zweifellos mit ihrem Konto zu tun gehabt haben. Velluti und Alepri haben von ihr Geld bekommen, also hat sie sich mit ihnen in Verbindung gesetzt und ihnen ihre Ankunft mitgeteilt und um einen Termin nachgefragt. Wir wissen aber auch, dass sie Boscoli und Cerchi angeschrieben hat, und diese haben nichts von ihr bekommen.«
    Tredittore dachte eine Weile darüber nach. Über sein Gesicht huschten ein paar widersprüchliche Gedanken. Schließlich bequemte er sich zu sagen: »Gut, das ist seltsam, da gebe ich Euch Recht. Was soll Euch jedoch die Höhe des Kreditrahmens sagen?«
    »Er sagt mir, ob auch für diese beiden Beträge geplant waren.«
    »Und?«
    »Stellt Euch doch nicht begriffsstutziger, als Ihr seid. Die einzigen beiden Männer, die der Verschwörung angeklagt und verhaftet sind, haben kein Geld von Jana erhalten. Was bedeutet das wohl?«
    Er brummte etwas und richtete den Blick auf den Boden.
    »Das ist eine gewagte Spekulation«, warf Kleinschmidt ein.
    »Das ist noch gar nichts, solange ich nicht weiß, wie hoch der Kreditrahmen war. Also – können wir endlich weitermachen?«
    Tredittore machte sich missmutig an die Übersetzung. Der Bankangestellte, der unseren Disput misstrauisch beobachtet hatte, ließ sich nach einigem Zögern erneut Tredittores Siegel zeigen.

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