Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
sich füllten und füllten mit gehängten, zerschlagenen, gefolterten, gebrannten, ins Rad geflochtenen Körpern; und nicht zuletzt von dem feisten Teufel auf dem Thron des heiligen Petrus, dessen einziges Trachten die Vermehrung des Reichtums seiner Familie war.
Die grässliche Hinrichtung der Sklavin setzte all dem nur einen vorläufigen Höhepunkt auf, und ich fragte mich, bis mich der Schlaf zuletzt doch einholte, was dieses Erlebnis, eine halbe Tagesreise von unserem Ziel entfernt, uns sagen wollte.
2.
D
u willst, dass wir die Reise nach Florenz abbrechen?«, fragte Jana fassungslos, während wir am nächsten Morgen im Hof der Herberge standen und zusahen, wie die Reit- und Packtiere reisefertig gemacht wurden. Sie drückte ihr Siegel mit dem niemals abflauenden Stolz, den sie jedes Mal dabei empfand, auf das Pergament, das Messer Maurizio berechtigte, in Venedig seinen vereinbarten Lohn von einem Bankkonto abzuheben; sie verzichtete wie üblich darauf, dem Siegel ihre Unterschrift beizugeben. Jetzt rollte sie die Vollmacht unwillig zusammen und schlug damit auf ihre Handfläche. »Kannst du mir bitte erklären, weshalb?«
»Ich hatte gestern Zeit nachzudenken. Die politische Lage ist mehr als unsicher. Jemand hat gesagt, erst im letzten Jahr wäre das gesamte Gebiet um Siena verwüstet worden. Wenn ich ihn richtig verstand, hat er eine ganze Karawane mit Gütern verloren – samt deren Begleitmannschaft, der auch sein Schwager, seine Schwester und deren Töchter angehört haben.« Dem Kaufmann, den ich es hatte erzählen hören, waren noch jetzt Tränen in den Augen gestanden. Ich war froh, nicht verstanden zu haben, was die marodierenden Söldnerbanden mit ihnen angestellt hatten. »Es schwelt hier an allen Ecken und Enden.«
»Das war uns bewusst, als wir nach Venedig aufbrachen!«
»Natürlich war es das. Genauso wie es uns bewusst war, dass Venedig nahe genug an den Alpen liegt, um eine schnelle Ausreise zu ermöglichen. Genauso wie es uns bewusst war, dass wir nach dem Abschluss des Handels wieder zurückkehren würden. Umso mehr, da du deinen Konkurrenten Ser Pratini so gekonnt aus dem Rennen geschlagen hast.«
»Was nicht unbedingt dir zu verdanken ist.«
Ich verdrehte die Augen. »Ich will doch nur sagen, dass die Entschlüsse, die wir zuvor gefasst hatten, richtig waren.«
»Daran haben die Umstände einiges geändert«, erwiderte sie aufgebracht. »Das weißt du so gut wie ich.«
»Jana, es tut mir Leid, dass dein Vater gestorben ist. Und es tut mir umso mehr Leid, da ich gerne den Mann kennen gelernt hätte, der seine Tochter zu der Frau heranwachsen ließ, die ich liebe. Das habe ich dir schon mehrfach gesagt, ebenso wie ich gesagt habe, dass ich deinen Schmerz wegen seines Todes verstehe – und deinen Zorn auf deine Verwandten, die von deinen Erfolgen fett geworden sind und jetzt die Macht über das Haus Dlugosz an sich reißen wollen. Aber ich verstehe nicht, warum du dich deinen Vettern nicht in Krakau stellen willst, anstatt hier in Italien immer tiefer in die Ränke zwischen den Republiken und dem Heiligen Stuhl zu geraten.«
»Weil gerade wegen der herrschenden Situation große Geschäfte zu machen sind für jemanden, der umsichtig und entschlossen handelt. Sieh dir doch die Kaufleute an, die in unserer Gesellschaft reisen: Haben sie sich etwa in ihre Häuser zurückgezogen, um sich vor den Unruhen zu fürchten?«
»Sie sind auch hier zu Hause, sprechen die Sprache, haben gute Verbindungen und können wahrscheinlich das Gras wachsen hören.«
»Für mich reicht es, wenn ich höre, wo sich die Türen zu guten Geschäften auftun.«
»Das Einzige, was sich hier auftun wird, sind die Zellen der Kerker und Folterkammern.«
Sie starrte mich an. »Hast du schlecht geträumt?«, spottete sie.
»Ich habe überhaupt nicht geträumt, weil ich kaum ein Auge zugetan habe!«, rief ich. »Daran bist du schuld mit deiner Sturheit…« Sie legte mir die Hand auf den Mund und deutete mit dem Kopf zum anderen Ende des Hofes hinüber. Dort trat eben einer der Kaufherren aus unserer Reisegruppe mit einer jugendlichen Dienstmagd aus dem Stall heraus und knetete ganz ungeniert ihre Brust, bevor er sie mit einem Klaps auf den Hintern zu seinem Tross schickte. Jana lächelte und hielt sich den Finger vor den Mund, bis der Mann außer Hörweite war.
»Ich ahnte, was du sagen wolltest. Ihr Fleiß hat mich auch die halbe Nacht wach gehalten – flinke Füßchen die Treppe hinauf und
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