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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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immer eine Menschenmenge drängte und mit den Fingern ins längst wieder ruhige Wasser zeigte; Tredittores Schilderung des Leidenswegs, die er mit aufgesetzter Bestürzung wiedergab, so wie ein Mann die Neuigkeit vom Tod seines erbittertsten Geschäftskonkurrenten verbreitet; die Stadtmauern von Prato hinter uns, ziegelrotes und lehmfarbenes Leuchten in der Sonne des frühen Vormittags -eine kleine Gruppe mit wenig Gepäck, die nach Südosten ritt. Ich hatte wieder das Geschrei der Zuschauer unter den Herbergsfenstern im Ohr. Sie brüllten ihren Zorn auf die Mächte hinaus, die ihr Leben zu untergraben suchten, und lenkten den Zorn auf die Unglückliche im Henkerskarren. Papst Sixtus machte sich daran, die Republiken mit Gewalt aus dem Gleichgewicht zu bringen; die Republiken wehrten sich mit Zähnen und Klauen. Ich musterte die kurzfristigen Weggefährten, die wir überholten oder die an uns vorbeizogen: Ihr Lachen klang aufgesetzt und ihre Grüße zurückhaltender als gewöhnlich, und es lag nicht daran, dass Karfreitag war und der Tag eigentlich in stiller Kontemplation statt auf einer staubigen Landstraße verbracht werden sollte. In einiger Entfernung marschierte eine lange Kolonne von Landsknechten über die Hügelkuppen, misstrauisch beobachtet von den Reisenden auf der Straße. Sie hielten einen strikt östlichen Kurs und entfernten sich von uns. Plötzlich hatte ich das drängende Gefühl, dass wir auf der Straße die Schafe waren, die zum Metzger trotteten: Unser Schlachthaus war die Stadt von Lorenzo dem Prächtigen; die Söldner aber waren die Aasvögel, die darauf warteten, was mit uns geschah. Wir begleiteten einander auf dem Weg in den Untergang.
    Außerhalb von Prato wandte sich die Straße nach Süden, weit genug vom Fluss und seinen sumpfigen Ufern entfernt, aber doch vage seinem Verlauf folgend. In halber Höhe an den sanften Abhängen der Hügel, unter Kastanienbäumen und Eichen, durchschnitt sie seltsam geometrische Weinberge und wand sich an vereinzelten Gehöften vorbei. Dunkel aufragende Kastelle aus hochgeschossenen Pinien markierten Landhäuser reicher Patrizier. Der Verkehr war beträchtlich. Jana ritt neben mir und betrachtete das Treiben. Je weiter die hässliche Auseinandersetzung zwischen uns zurückblieb, desto mehr verblasste die Erinnerung daran.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass am Karfreitag so viele Reisende unterwegs sind«, bemerkte sie schließlich. »Und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen wegen der Sünde, heute zu reisen.«
    »Viele werden die Passionsspiele besuchen.« Ich wies auf die Krüppel und Zerlumpten, die in Abständen die Straße säumten und mit kaum nachlassender Begeisterung ihre Holzschüsseln oder Kappen in unsere Richtung schwenkten, wenn wir sie überholten. Janas Zofe verteilte kleine Münzen. »Andere hoffen auf die Freigebigkeit der Reichen und auf die Barmherzigkeit von Lorenzo de’ Medici.«
    »Dessen Barmherzigkeit haben wir gestern in Prato zu hören bekommen.«
    »Ich weiß nicht, wieweit man den Mann für die Hinrichtung einer Sklavin verantwortlich machen kann. Er mag der eigentliche Herrscher über Florenz sein, aber er wird kaum jede Bewegung wahrnehmen, die in den Florenz hörigen Städten geschieht.«
    »Natürlich nicht«, sagte sie finster. »Und die Wellen, die von der Stelle ausgegangen sind, an der man sie endlich ertränkt hat, werden den Arno unter den Brücken von Florenz kaum aufwühlen.«
    »Du wolltest nach Florenz Weiterreisen, nicht ich«, erinnerte ich sie. Sie wandte den Kopf zur Seite und schwieg.
    »Wird der Mann deiner Tochter uns erwarten?«, fragte sie endlich.
    »Ich hoffe es. Ich hatte mit einer Botschaft von ihm in der Herberge in Prato gerechnet, nachdem ich in Bologna den Boten mit meinem Brief zu ihm schickte. Vielleicht ist der Brief nicht angekommen; ich kann mir vorstellen, dass der Name Johann Kleinschmidt einem italienischen Boten einige Schwierigkeiten bereitet.«
    Tredittore, der ein paar Schritte vorausgeritten war, zügelte sein Pferd und ließ uns aufschließen. Er wies nach vorn.
    »Seht Ihr die Staubwolke? Eine größere Gesellschaft ist vor uns.«
    »Wie weit ist es noch bis Florenz?«, fragte Jana.
    »Wir dürften die Hälfte hinter uns haben; fünf oder sechs Meilen noch«, erwiderte ich. »Wenn ich den patron richtig verstanden habe.«
    »Ich erkenne Fahnen und Wimpel und das Blitzen von Lanzen«, brummte Tredittore, der sich im Sattel aufgerichtet hatte. Er schien zum ersten Mal beunruhigt. Jana

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