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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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seinetwegen im Fondaco. Jemand hat ihn der Mitverschwörung beschuldigt.«
    »Nein! Das ist doch…«
    »… Pech für ihn«, vollendete ich ungerührt. »Gute Nacht.«
     
    Der Schlaf brauchte lange, bis er mich fand. Ich hörte das Läuten der verschiedenen Kirchturmglocken viele Male durch die nachtdunkle Stadt hallen. Dann hörte ich es nicht mehr, und kurze Zeit später besuchte mich Benozzo Cerchi im Traum, ein Mann ohne Gesicht, und erzählte mir seltsam emotionslos von der dritten peinlichen Befragung, die an ihm durchgeführt wurde. Ich erwiderte nichts. Als ich Sekunden später erwachte, fühlte ich mich noch immer beschämt wegen der Dankbarkeit, die ich darüber empfand, dass die Folterknechte ihre Künste an ihm ausübten und nicht an Jana.

 
     
    6. BUCH
    Geständnisse
     
    30. April 1478
     
     
     
     
     
     
     
    Zu fahren bessre Wasser, hebt die Segel
    Nunmehr von neuem meines Geistes Kahn,
    Der hinter sich gebracht so grausen Pegel.
    DANTE ALIGHIERI,
    Läuterungsberg I

 
    1.
     
    J
    ohann Kleinschmidt benutzte den gleichen Weg, auf dem er mich am Karfreitag in die Stadt gebracht hatte, um Florenz zu verlassen. Im frühen Morgengrauen war die Stadt fast so leer wie am Tag nach dem Anschlag; nur auf dem Prato ratterten die Ochsenkarren der Bauern aus dem Mugello, die mit ihren Gemüsen, ihren Ziegen, Schweinen und Gänsen auf dem Weg zum alten Markt waren. Die Luft war frisch und klar und der Himmel von einer hellen Bläue, die nach Westen hin noch das vergehende Dunkel der Nacht erkennen ließ.
    Mein Schwiegersohn war ungewöhnlich schweigsam. Als wir an der Säule mit den ausgebleichten Bändern vorbeikamen, sah er nachdenklich die Straße hinab, und nicht nur in seiner Erinnerung erstand der rücksichtslose Ritt, mit dem Jacopo de’ Pazzi und seine Männer zum Tor geprescht waren. Jetzt wusste ich, dass sie zu condottiere Montesecco geritten waren, der sich vor dem Tor von Kardinal Riario verabschiedet hatte, um dort auf den alten Pazzi zu warten. Es sprach dafür, dass der kleine Kardinal tatsächlich nicht in die Verschwörung eingeweiht gewesen war; aber ob es so war oder ob die Verschwörer nur äußerst bemüht gewesen waren, keinen Verdacht auf Riario fallen zu lassen, ließ sich nicht festlegen. Mittlerweile war es ohne jegliche Bedeutung, und es war nicht an mir, Ärger zu empfinden, wenn einer der Täter jetzt im Palast des überlebenden Opfers hauste wie die Made im Speck. »Das Wetter ist gut, wir werden schnell vorankommen«, sagte Kleinschmidt, während wir an der Porta al Prato darauf warteten, dass eine größere Gruppe von Marktwagen passierte und die Torwächter uns den Weg freigaben. »Ich werde bald wieder zurück sein.«
    »Komm nur erst einmal wohlbehalten nach Prato«, erwiderte ich. »Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Haufen von Montesecco nicht noch irgendwo herumtreibt. Ohne Anführer, ohne Aufgabe und ohne Geld könnten sie vielleicht auf die Idee kommen, Reisende auf der Straße zu überfallen.«
    »Die Straße nach Prato ist sehr belebt. Sie werden es nicht wagen«, sagte Kleinschmidt. Seinen Worten zum Trotz zog sich sein Gesicht ein wenig in die Länge, und er fasste seinen kleinen Tross aus den beiden Packtieren und seinem Schreiber auf einem struppigen Pferd unsicher ins Auge.
    »Viel Glück und gute Reise.«
    »Bis bald.« Kleinschmidt versuchte, aufmunternd zu lächeln, aber mit meiner Bemerkung über Monteseccos Söldnerschar hatte ich ihm genug gegeben, worum er sich sorgen konnte. Er gab seinem Schreiber einen Wink, als die Torwachen beiseite traten, und reihte sich hinter ihm und den Packtieren ein. Er drehte sich im Sattel um und winkte mir zu, bis ihn die niedrigen Häuser der Pfahlbürger jenseits des Kanals verschluckten. Ich stand noch einen Augenblick länger unter dem wuchtigen Bogen der Tordurchfahrt und sah ihm hinterher. Kleinschmidt auf dem Weg nach Prato, Tredittore aus meinen Diensten entlassen – ich stellte fest, dass ich jetzt wirklich allein war. Es war die Art und Weise, wie ich am liebsten arbeitete. Ich gab mir einen Ruck und löste mich vom Tor, um in die Stadt zurückzumarschieren. Es gab noch jede Menge zu tun.
     
    Die Tür zum Inneren von San Lorenzo war bereits geöffnet, wenngleich die Morgenmesse noch nicht begonnen hatte. Ich trat in das laut hallende Kirchenschiff. Abgesehen von zwei kunstvoll gearbeiteten Kanzeln aus Bronze und wenigen großformatigen Bildwerken in den kleinen Seitenkapellen, wirkte San Lorenzo

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