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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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wie gut du Geschäfte machen kannst.«
    »Genau, das kann ich nicht!«, stieß sie hervor. »Du bist wie all die anderen! Solange deine Bequemlichkeit nicht angekratzt wird und du den gelassenen Schöngeist spielen kannst, der seinem Weib wohlwollend ihren Zeitvertreib lässt, hast du keine Probleme. Aber wenn es mir wirklich um etwas geht, dann stellst du dich stur.«
    Ich sah die Tränen in ihren Augen glitzern.
    »Jana, beruhige dich…«
    »Damals in Landshut, als ich zu Fuß zu dir hinausgelaufen bin, da habe ich auch nicht daran gedacht, wie gefährlich es für mich sein könnte. Und du stellst dich an, weil du deinem stotternden Schwiegersohn mitteilen musst, dass dir etwas dazwischengekommen ist.«
    »Das ist doch etwas ganz anderes…«
    »Ist es nicht. Du meinst, ich spiele hier bloß, stimmt’s? Ich habe eine meiner Launen! Ist dir nicht klar, dass sie mir zu Hause alles wegnehmen wollen, wofür ich jemals gearbeitet habe? Worauf ich gehofft habe, seit ich den Mädchenkleidern entwachsen war? Aber nein, daran denkst du nicht!«
    »Jana…«
    »Lass mich in Ruhe!« Sie wandte sich ab und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ich suchte bestürzt nach Worten. Jana machte einen hastigen Schritt auf die Treppe zu den Obergeschassen zu, dann bremste sie abrupt und hob den Kopf. »Ich nehme Tredittore mit. Das war ein guter Vorschlag von dir. Außerdem Julia und was ich von Vespuccis Gesinde brauche, damit ich einigermaßen beeindruckend dort auftreten kann. Wenn ich zurückkomme, kannst du mir ja erzählen, was dein Schwiegersohn an Weisheiten von sich gegeben hat.« Sie stieg ohne Eile die Stufen hinauf. Ihr Rücken war viel zu gerade. Sie drehte sich nicht um. Ich war betroffen über die Kälte in ihren Worten, aber noch betroffener über die Mühe, die es sie gekostet hatte, diese Kälte zu erzeugen. Ich stand wie ein Narr im Innenhof des prächtigen Hauses, in den das Sonnenlicht auf dem plätschernden Brunnen fröhliche Kringel malte, und starrte die nun leeren Treppenstufen an.
     
    Der majordomus hatte sich alle Mühe gegeben, ein anständiges Abendessen zubereiten zu lassen. Wie es schien, erachtete er die Fastenzeit nun als beendet. Seine Mühen waren an uns verschwendet, obwohl unsere Mägen knurrten. Ein Fasan, den man gerupft und gebraten und anschließend wieder in seinen Federschmuck gekleidet hatte, stellte den Mittelpunkt des Mahls dar, begleitet von zwei verschiedenen Suppen, von denen die eine aus den Innereien des Fasans zubereitet war, die andere eine Art Fischbrühe darstellte, die besser schmeckte, als sie roch. Die süßen Mandelschnitten, die wir zu Anfang gereicht bekamen, blieben auf dem Tisch stehen, desgleichen die Pastete und das Brot, das man dazu benutzen sollte, Löffel und Messer sauber zu wischen. Ohne dass jemand ihn dazu beauftragt hätte, hatte der majordomus einen Krug mit Rotwein auf den Tisch gestellt. Ich saß zwischen Jana, die außer einigen eisig höflichen Worten nicht sprach, und dem ebenso wortkargen Tredittore, dessen anbiederndes Augenrollen bezüglich Janas Schweigen ich geflissentlich übersah, und sprach dem Wein zu stark zu. Schließlich starrte ich mit erhitztem Kopf in die kaum berührten Überreste des Essens und wünschte mir, das Schwanken des Tisches möge aufhören. Als Jana sich erhob und ganz besonders mir eine gute Nachtruhe wünschte, wusste ich, dass mein Schlafplatz heute nicht in dem kleinen Zimmer in der Loggia sein würde. Ich stand auf, warf aus Versehen den Stuhl um, auf dem ich gesessen hatte, und musste die Demütigung erdulden, mich am Tisch festhalten zu müssen, damit ich nicht dem Stuhl auf den Boden nachfolgte. Während Jana mit ihrer Zofe zusammen die Treppe hinaufschritt und dabei eine Haltung bewahrte, die der Königin von Saba angemessen gewesen wäre, stakte ich mit unsicheren Schritten zum Eingangstor des Hauses und ließ mich selbst hinaus. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.
    Die Dämmerung schuf noch ein paar zwielichtige Stellen zwischen den Häusern, aber die Schatten der Nacht wurden bereits dichter und übergossen das Pflaster mit Dunkelheit. Drüben beim Palast der signoria, von dem ich vage wusste, wo er lag, würden jetzt die Fackeln entzündet werden. Es würde noch einige Zeit dauern, bis die Nachtpatrouillen auch den Domplatz erreichten und dort für Licht sorgten. Über dem unverkennbaren Essens- und Kloakenduft einer großen Stadt roch ich einen Hauch von Frühling oder bildete es mir ein.

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