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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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Stunden bis zum Morgen noch schlimmer.
     
    Am Montag duckte sich die Stadt unter dem Eindruck des blutigen Ostersonntags. Selbst die Kirchenglocken, die seit dem ersten Anflug des Morgengrauens ohne Unterlass die Trauer über den Tod Giulianos verkündeten, taten dies dumpf und wie erschrocken über die Eruption von Gewalt, die Florenz gestern erlebt hatte. Der Himmel war bleiweiß und schon kurz nach dem Sonnenaufgang drückend.
    Ich saß auf dem Rand meines Lagers und zog mir hastig mein Hemd über. Stepan Tredittore schauderte im Fieber auf dem anderen Lager in der kleinen Kammer (mein Schwiegersohn hatte zwei Kammern im Fondaco bewohnt. Er teilte sich jetzt die andere mit seinem Schreiber). Nicht lange nach unserer Ankunft war Tredittore das erste Mal laut polternd hinausgerannt. Als er nach langer Zeit wiederkam, war er blass und roch nach Erbrochenem und Darmkrämpfen. Wie sich herausstellte, hatte er verschwiegen, dass er sich auf dem Schindanger in eine Pfütze geworfen hatte, als er sich einbildete, dass auf der Mauerkrone der Stadt eine Abteilung Stadtknechte auftauchte. Scheinbar hatte er in der Aufregung etwas von der verseuchten Flüssigkeit hinuntergeschluckt. Er versicherte mir, dass es ihm nach seinem Anfall schon wieder besser ginge, und schluckte verzweifelt, als ihm gleich darauf die Galle hochkam. Ich bemühte mich vergeblich, mehr als vages Mitleid mit ihm zu empfinden.
    Johann Kleinschmidt gaffte mich an, als ich ihn bat, mich zum Gefängnis zu begleiten.
    »In die Höhle des Löwen?«, stieß er hervor.
    »Ich muss mit Jana sprechen.«
    »Sie werden Euch in die gegenüberliegende Zelle sperren.«
    »Nach dem zu urteilen, was gestern hier geschehen ist, wird das Gefängnis nicht nur von Insassen überquellen, sondern auch von denen, die nach den Insassen fragen. Glaubst du, da werde ich auffallen?«
    »Sie werden nach Euch Ausschau halten. Eure… äh… also, Jana hat ihnen bestimmt gesagt, dass sie mit Euch in der Stadt ist.«
    »Warum sollte sie das tun? Hältst du sie für verrückt? Wenn sie herausbekommen hat, dass ich nicht verhaftet worden bin, wird sie kein Wort über mich verlieren.«
    »Sie braucht sich doch nur nach Euch zu erkundigen. Nur eine Frage… und wenn sie nur fragt, ob es Euch gut geht.«
    Ich schwieg verdrossen.
    »Wollt Ihr denn wirklich mit Gewalt eingesperrt werden?«
    »Nein, ich will mit Gewalt frei bleiben. Nur so kann ich daran arbeiten, dass sie freigelassen wird. Ich muss mit ihr sprechen und ihr wenigstens Mut machen.«
    Er seufzte. »Ich nehme an, Ihr wollt mich als Übersetzer mitnehmen.«
    »Ich hätte Tredittore mitgenommen, doch der kotzt sich die Eingeweide aus dem Leib«, sagte ich roh. Er zuckte zusammen und errötete.
    »Nein…«, murmelte er, »nein, das ist nicht richtig, das ist schon meine Aufgabe…« Er schluckte tapfer und stülpte sich seinen Hut auf den Kopf. »Gehen wir.«
    Auf der freien Fläche hinter dem verschlossenen Eingangstor zum Fondaco stand ein gutes Dutzend Männer zusammen. Kleinschmidt zögerte, als er sie sah, dann straffte er sich und schritt auf sie zu. Die Männer waren in ein halblautes Gespräch vertieft; als sie unsere Schritte hörten, blickten sie auf. Kleinschmidt räusperte sich.
    »Guten Morgen, meine Herren«, sagte er höflich. Er nickte einem der Männer zu. »Zunftrektor.«
    Der Zunftrektor trat aus dem Kreis seiner Gefährten und baute sich nach einem Seitenblick zu Johann Kleinschmidt vor mir auf. »Ich bin Zunftrektor Ferdinand Boehl von der Tuchmachergilde in Bamberg. Ich leite das Fondaco, weil die Tuchmachergilde in Florenz die einflussreichste ist. Und wer seid Ihr? Der Teufel hol mich, wenn ich Euch schon mal gesehen habe.« Er besaß den auffälligen Dialekt und den spröden Charme seiner Landsleute sowie die vierschrötige Figur eines Steinmetzen. Sein Kinn war eine Klippe in der Landschaft seines Gesichts.
    »Mein Name ist Peter Bernward. Ich bin freier Kaufmann aus Landshut. Mein Schwiegersohn hier hat mir nach den Vorfällen gestern eine sichere Bleibe angeboten.«
    Er lachte rau und ohne Amüsement. »Das hab ich gern. Die freien Kaufleute, die die Preise drücken, wie es ihnen gefällt -und wenn es brenzlig wird, wo flüchten sie dann hin?«
    »Ich bin nicht in Geschäften hier«, erwiderte ich steif.
    Boehl musterte mich, dann zuckte er mit den Schultern. »Hier geht im Moment alles drunter und drüber. Wenn die Zunftgenossen nicht zusammenhalten… Wir halten gerade Kriegsrat, welche Abordnung

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