Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Briefe waren wie sie selbst: zurückhaltend, vorsichtig, fast scheu, voller bemühtem Verständnis auch noch für die Dinge, die ihr Schmerz bereiteten. In einem schrieb sie, dass sie oft von den Familien der Geschäftsfreunde ihres Mannes eingeladen würde und dort stets mit den letzten Neuigkeiten überhäuft würde, wie prächtig sich die Söhne der Gastgeber entwickelten und dass ihr Mann ihr bei seinem nächsten Aufenthalt zu Hause sicherlich auch einen Sohn schenken würde; und äußerte noch Verständnis für den Stolz der Frauen über ihre Sprösslinge, während ich doch wusste, in welche Qualen und Ängste sie das Thema stürzte. Sie hatte panische Angst davor, schwanger zu werden, nachdem ihre Mutter im Kindbett gestorben war, und hatte diese Angst, die wahrscheinlich dafür verantwortlich war, dass sie kein Kind empfing, zugleich mit der Schande zu tragen, dass sie oder ihr Mann eventuell unfruchtbar sein könnten. Ein anderes Schreiben schilderte einen Besuch bei Joachim Hochstetter, der ihr mit väterlicher Freundlichkeit entgegengetreten war – eine Freundlichkeit, von der sie hoffte, dass auch ich sie wiedergefunden hatte und dass ich ihr bald eine Möglichkeit geben möge, ihren Aufbruch vom heimatlichen Hof wieder gutzumachen. Wie es schien, hatte sie ein schlechtes Gewissen, mich damals verlassen zu haben. Es war nicht so groß wie mein schlechtes Gewissen darüber, meinen Kindern nicht der entsprechende Vater gewesen zu sein – ebenso, wie ich nicht der richtige Gefährte für Jana zu sein schien. Als der Brief verschwamm und Johann Kleinschmidt sich räusperte, bemerkte ich, dass Tränen in meine Augen gestiegen waren. Ich zwinkerte sie weg und gab ihm die Briefe zurück.
»Sie hätte einen besseren Vater verdient, als ich es war«, sagte ich rau. Er errötete und wich meinem Blick aus.
»Sie ist voller Liebe zu Euch«, erklärte er den Bodenfliesen.
»Ja, aber ich habe ihr zu lange nicht gesagt, wie viel Liebe ich für sie empfinde.«
Nicht nur ihr.
»Ich gehe meinen Schreiber suchen«, stotterte Kleinschmidt und stand auf. »Lest sie ruhig alle fertig. Ich freue mich, wenn sie Euch etwas bedeuten.«
Ich wusste nicht, was Lapo Rucellai unter der Angabe »nach Einbruch der Dunkelheit« verstand; es mochte alles sein vom Sonnenuntergang bis zum Anbruch der Morgendämmerung. Wahrscheinlicher war, dass er schon beim ersten Schattenfall zu unserem Treffpunkt kroch. Je später es wurde, desto mehr Patrouillen strichen durch die Stadt, und desto unangenehmer wurde es, wenn sie einen auf den Straßen erwischten. Ich machte mich auf die Suche nach meinem Schwiegersohn, um mir den Weg erklären zu lassen.
Kleinschmidt stand im Innenhof und sah gleichzeitig abgekämpft und erleichtert aus. Als er mich erblickte, lächelte er.
»Habt Ihr gehört?«, rief er mir über den Hof hinweg zu. »Die Kaufleute der Fugger sind heute im Lauf des Tages abgereist. Gleich nachdem der Regen aufgehört hatte.«
»Weshalb?«
Er machte ein Gesicht, als versuche er, nicht zu grinsen. Seine Stimme wurde unwillkürlich leiser. »Es heißt, sie wären eigentlich hier gewesen, um mit den Pazzi ein paar Handelsabkommen zu schließen. Sie haben sich jetzt wohl Lorenzo de’ Medici anzudienen versucht. Der hat ihnen geraten, aus der Stadt zu verschwinden.«
»Haben sie versucht, den Aufstand zu unterstützen?«
»Ich weiß nicht. Kann schon sein. Ich glaube zwar nicht… Obwohl: Es wäre das gleiche Spiel wie in Mailand.«
»Was soll das heißen?«
»Na, man munkelt doch, dass beim Mord an Herzog Sforza in Mailand vor drei Jahren die Fugger die Hand im Spiel hatten… Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie das noch mal riskiert haben. Endlich mussten einmal sie mit eingezogenem Schwanz aus dem Stadttor schleichen.«
Ich starrte ihn an und fühlte wieder den Zorn in mir hochsteigen, der sich seit zwei Tagen mit der Angst um das Vorrecht stritt, mein alleiniger Weggefährte zu sein. Kleinschmidt strahlte mir voller Schadenfreude ins Gesicht.
»Was freust du dich darüber?«, bellte ich. »Das macht Janas Schuld doch nur noch größer!«
Er klappte den Mund auf und färbte sich dunkel. »Aber… wieso… aber daran hatte ich gar nicht gedacht…«
Meine Wut war so schnell verraucht, wie sie gekommen war. Meine eigenen Worte hatten mich ernüchtert: Janas Schuld. – Gibt es niemanden mehr in Florenz, der an deine Unschuld glaubt, geliebte Jana?
»Wie komme ich zu Santissimi Apostoli?«, fragte ich heiser.
»Vom
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