Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
an der Glocke fest, mit der er seine Helfer rufen konnte, sobald man ihm zu nahe trat. Er hatte keine Angst vor der Vergeltung der Medici-Anhänger, sonst wäre er aus der Stadt geflohen – aber er hatte Angst vor uns, die wir gekommen waren, um in Janas Namen um Hilfe zu bitten.
5.
D
er Fondaco dei Tedeschi war in erster Linie ein Handelshaus, und so konnte grundsätzlich jeder in sein Inneres gelangen. Mancher, der nicht so aussah, als sei er zum Geschäftemachen gekommen, konnte allerdings auch im Innenhof festgehalten werden, wenn ihn dort niemand abholte oder ihn legitimierte. Als wir den Innenhof des Fondaco betraten, stand eine abgerissene Gestalt in den schweren Schatten des westlichen Gebäudeflügels und starrte blicklos zu Boden. Ich schritt mit gemischten Gefühlen auf sie zu: Es war Lapo Rucellais Tochter.
Ihr Gesicht hellte sich auf, als sie mich sah. Ich winkte Johann Kleinschmidt zu mir heran, damit er mir übersetzte, was sie zu sagen hatte. Tredittore verschwand grußlos im Inneren des Baus. Das Mädchen griff an das Oberteil ihres Gewandes, und mir schoss plötzlich heiß der Gedanke durch den Kopf, dass sie es aufschnüren und sich entblößen und mir erneut anbieten würde. Bevor ich sie aufhalten konnte, holte sie einen zusammengerollten Fetzen Pergament aus ihrem Leibchen hervor und reichte ihn mir mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt. Ich rollte ihn auseinander und fühlte ihre Körperwärme darauf.
Lapo Rucellai hatte in Latein geschrieben; es war nicht mehr als eine kurze Anweisung, mich mit ihm allein nach Einbruch der Dunkelheit bei Santissimi Apostoli zu treffen.
»Weißt du, wo das ist?«, fragte ich Kleinschmidt. Er nickte. Ich steckte das Pergament ein.
Lapos Tochter sah mich erwartungsvoll an. »Si«, sagte ich. »Richte ihm aus, dass ich kommen werde.« Sie marschierte wortlos hinaus.
»Wer war das?«
»Die Tochter von Lapo Rucellai, dem Notar, den ich zu überprüfen bat, ob Janas Brief gefälscht sei.«
»Wollt Ihr Euch wirklich mit ihm treffen?«
»Warum sollte ich nicht?«
»Was will er denn von Euch… Ich meine, es geht ihm doch sicher nur um Geld…«
»Meinetwegen geht es ihm um alles Geld der Welt, wenn er mir weiterhelfen kann.«
»Was will er denn noch tun? Er hat Euch doch schon erklärt, dass die Briefe echt sind.«
»Das werde ich wissen, wenn ich mich mit ihm getroffen habe.«
»Das ist gefährlich.«
»Hör endlich auf damit, mir zu erzählen, was gefährlich ist und was nicht«, sagte ich ruhig.
»Ich werde Euch begleiten.«
»Du wirst hier bleiben. Lapo hat geschrieben, er wolle mich allein treffen.«
»Ihr könnt nicht allein…« Er ließ den Kopf sinken. »Ich weiß schon: Ihr habt Angst, dass ich noch einmal etwas Dummes sage. Lasst mich meinen Fehler wieder gutmachen. Bitte. Nehmt mich mit. Ihr dürft nicht allein in der Nacht durch die Stadt laufen. Das ist schon unter normalen Umständen keine gute Idee…«
Ich erwiderte nichts. Ich hatte nicht die geringste Absicht, ihn mitzunehmen. Als ich nachdenklich in das Haus hineinging, trottete er unglücklich neben mir her. Ich beachtete ihn kaum. Ich bemühte mich, keine zu euphorischen Gedanken wegen dieser neuerlichen Kontaktaufnahme des Notars zu haben, doch es schien mir, als würde sich plötzlich etwas in dieser unseligen Angelegenheit bewegen.
In Kleinschmidts Kammer, der einzigen, in der sich ein Schreibpult befand, brannte bereits das Kaminfeuer. Ich entzündete eine Kerze, stellte sie auf das Schreibpult und las die dürren Worte Rucellais noch einmal, auf der Suche nach versteckten Informationen zwischen den Zeilen. Wenn welche dort waren, war ich zu dumm, sie zu verstehen. Ich hielt das Pergament sogar an die Kerzenflamme; auch sie holte keine verborgene Schrift hervor. Kleinschmidt kramte verlegen in seinen Truhen umher und raschelte mit Pergamenten, als sei ihm daran gelegen, einen beschäftigten Eindruck zu machen. Ich achtete nicht auf ihn. Wenn ich ihn verletzt hatte, konnte ich es nicht ändern. Ich wendete das Pergament um und um und steckte es endlich wieder weg. Was immer Lapo mir mitteilen wollte, würde bis zu unserem Treffen warten müssen. Während ich blicklos in die beginnende Düsternis der Kammer starrte, hörte ich schnelle Schritte draußen. Jemand hustete und öffnete gleich darauf die Tür. Zu meinem Erstaunen war es Gutswalter. Er trug sein Barett wieder im Gürtel und ein verkniffenes Gesicht statt seines freundlichen Grinsens zur Schau. Er
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