Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
will…«
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr ich auf.
»Wir können ihn doch nicht anlügen, wenn wir seine Hilfe brauchen!«
»Du lieber Gott!«, stöhnte ich. Ich richtete meinen Blick auf Velluti, der, die Kordel in der Hand, so weit von uns entfernt wie möglich stand und uns mit verzerrtem Gesicht beobachtete. Ich breitete die Arme aus. Sein Griff um die Kordel verstärkte sich.
»Ich brauche nur jemanden, der bei der signoria für Jana bittet«, stieß ich hervor. »Schnell, übersetz das. Ihr sollt nur eine kleine Notiz schreiben. Bollettino, versteht Ihr? Bollettino.«
Kleinschmidt stotterte etwas zusammen, das Velluti nicht beeindruckte. Er musterte mich mit brennenden Augen. Die Tür flog auf, und eine Hand voll seiner jungen Männer kam herein und umringte uns. Tredittore schüttelte den Kopf, ob aus Belustigung oder Unverständnis, konnte ich nicht sagen. Kleinschmidt starrte mich flehentlich an.
»Ser Velluti«, versuchte ich es von neuem. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und wurde sofort von einem der Männer zurückgestoßen. Sie schienen die Söhne, Brüder oder Ehemänner seines weiblichen Gesindes zu sein, und sie hatten den Auftrag, in diesen wirren Tagen auf ihn aufzupassen. Ich ballte die Fäuste.
»Nur ein Brief an die Behörden, ich bitte Euch. Ihr seid doch ein unbescholtener Mann.«
Seine Bewacher drängten uns zur Tür hinaus. »Ser Velluti, in Gottes Namen!«, rief ich. Er stand noch immer an der Wand, seine verdammte Kordel in der Faust. Die Knöchel waren bleich. Sein Gesicht war noch bleicher.
»Ich habe es verdorben, o mein Gott, ich habe es verdorben. Es tut mir so Leid«, jammerte Kleinschmidt, als wir wieder auf der Straße standen. »Er hat so lange nicht geantwortet… da dachte ich, ich müsse noch etwas sagen… er hat einfach zu lange geschwiegen…«
»Halt den Mund«, sagte ich müde. Er tat es mit einem wehen Ausdruck im Gesicht. Ich schritt zum nächsten Gebäude, das über eines der umlaufenden Simse verfügte, und setzte mich schwer darauf nieder. Kleinschmidt blieb mit hängenden Schultern neben dem Eingang zu Vellutis Haus stehen. Er und Tredittore taten mir den Gefallen, mich nicht anzusprechen.
Ich stützte meine Ellbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Hände. Velluti – oder einer der anderen Adressaten von Janas Briefen – war nur eine schwache Hoffnung gewesen; Kleinschmidt in seinem unsensiblen Übereifer hatte nun auch diese zerstört. Wenn er meine Bemühungen absichtlich hätte behindern wollen, hätte er sich keine bessere Gelegenheit aussuchen können. Ich hatte vorgehabt, Velluti anzulügen; ich hatte mir bereits eine Geschichte zurechtgelegt, die mit Janas unrechtmäßigem Zutritt zur Stadt zu tun hatte und mit Zwistigkeiten mit dem Fondaco. Kleinschmidt, dieser Tor, hatte… Nein, ich war selbst schuld. Ich hätte es ihm einfach vorher mitteilen sollen. Doch ich hatte nicht gedacht, dass er auch nur einen Funken Eigeninitiative entwickeln würde. Ich seufzte. Er hatte es gut gemeint und schlecht getan. Er konnte nichts dafür. Ich hätte ihn am liebsten auf der Stelle erdrosselt.
Nach einer Weile stand ich wieder auf. Meine beiden Begleiter sahen mich erwartungsvoll an. Tredittore hatte sich deutlich von Kleinschmidt abgesetzt, als wolle er vermeiden, mit ihm zusammen von einem Bannstrahl meiner Wut getroffen zu werden – oder als wollte er deutlich machen, dass ihm ein derartiger Fehler niemals unterlaufen wäre.
»Gehen wir zurück in den Fondaco«, sagte ich leise. »Es wird sowieso bald Abend. Ich muss nachdenken.«
»Wenn ich Euch irgendwie helfen kann… Ich habe schon genug angerichtet… Oh, bitte, verzeiht mir… Soll ich noch mal hineingehen und versuchen, mit ihm zu reden…?«
»Du kommst hier nicht mehr rein«, erklärte ich. »Es hätte auch gar keinen Zweck. Du kannst mir nur helfen, wenn du mich in Ruhe lässt. Ihr alle beide.«
Tredittore zuckte mit den Schultern und marschierte los, wieder zurück zum Fluss hinunter. Ich folgte ihm langsamer. Den Abschluss machte Kleinschmidt, der wie ein geprügelter Hund hinter mir herschlich.
Das Gehen setzte nach einer Weile mein Gehirn wieder in Betrieb. Hinter Janas Geschäftsbeziehungen steckte mehr, als es zunächst den Anschein hatte. Cerchi und Boscoli waren der Beteiligung an der Verschwörung überführt; Alepri war es durch sein verschlossenes Haus. Nori und Velluti jedoch passten nicht in das Bild. Nori war tot, und Velluti hielt sich
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