Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
Ihr Jana getroffen habt, habt Ihr da geglaubt, dass jemals wieder jemand einen so großen Platz wie sie in Eurem Herzen einnehmen könnte?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich weiß nicht mehr so recht, was ich dachte.«
»Und als Ihr sie kennen gelernt habt, hat sie Maria aus Eurem Herzen verdrängt?«
»Niemals«, sagte ich sanft. »Nichts und niemand kann die Erinnerung an Maria aus meinem Herzen verdrängen. Jana hat mir stattdessen die Liebe wiedergegeben und die Fähigkeit, ohne Schmerz an die Jahre mit Maria zurückzudenken.«
Sie nickte. Ich hatte das Gefühl, dass Tränen in ihren Augen schimmerten, aber ich war mir nicht sicher. Sie hob das Gesicht nicht vom Boden.
»Der Fondaco dei Tedeschi ist dort drüben«, sagte sie. »Ich muss in die entgegengesetzte Richtung. Wisst Ihr, wo die Via del Purgatorio liegt?«
»Nein.«
»Es ist die zweite Gasse links, wenn man von Santa Trinità aus nach Norden geht. Das Haus meines Bruders steht ein paar Hundert Schritte nach der Gassenmündung linker Hand. Es ist ein wuchtiges Gebäude mit einem breiten Eingangstor. Kommt vor Einbruch der Dämmerung.«
»Solltet Ihr Euren Bruder nicht vorher fragen?«
»Er gibt heute Abend ein Festessen. Gesellt Euch einfach dazu. Es gilt, Ser Lorenzos wundersame Errettung zu feiern.«
»Ich dachte, Euer Bruder sei kein Medici-Parteigänger? Oder gilt es in diesen Tagen, die richtige Flagge zu zeigen?«
Sie antwortete nicht darauf, aber ich konnte erkennen, dass ihr meine Worte missfielen; wie alles, was ich bisher gegen ihren Bruder gesagt hatte.
»Ich habe keinen Appetit auf ein Festessen«, sagte ich, »aber ich danke Euch für die Gelegenheit, Euren Bruder sprechen zu können. Ich werde vor den restlichen Gästen eintreffen und auch wieder gehen.«
»Wie Ihr wünscht.« Beatrice reichte mir die Hand und lächelte wieder. »Lebt wohl, Peter Bernward. Ich werde meinen Bruder bitten, dass er Euch sofort empfängt.«
Im Fondaco suchte ich als Erstes nach Ferdinand Boehl; es gab einiges, was ich mit ihm zu klären hatte. Ich fand ihn in einem engen Kontor im Erdgeschoss des Lagerhauses. Er stand an einem Schreibpult, das vor seinem mächtigen Körper wie ein eleganter Kerzenständer wirkte, und starrte blicklos auf den Berg aus Pergamenten nieder, der sich darauf befand. Beglaubigungssiegel von Geschäftskontrakten hingen von der Schreibfläche herunter wie eine Girlande. Boehl hatte Tintenflecke an den Fingern und wirkte wie jemand, der gerade kräftig mit jemand anderem gestritten hat. Da er sich allein im Raum befand, nahm ich an, dass er sich mit den Pergamenten gezankt hatte. Im Inneren des Gebäudes trug er keine Kopfbedeckung; seine Haare waren dick und grau und aus seiner massiven Stirn gekämmt, wo sie sich kampflustig sträubten. Seine Wangen waren wie üblich gerötet, die eine mehr als die andere. In seinem Verschlag roch es nach nass gewordenem Tuch, getrockneten Kräutern und kaltem Mauerwerk. Als ich eintrat, sah er auf.
»Der freie Kaufmann Peter Bernward«, rief er zur Begrüßung und sprach sofort weiter, als wäre ich nur vor wenigen Augenblicken zuletzt in seinem Kontor gewesen und vollständig in seine Geschäftsvorgänge eingeweiht. »Seht Euch das an! Wegen der Idioten, die den alten Pazzi durch die Straßen schleiften, wurden die Stadttore gestern wieder geschlossen. Die signoria dachte zuerst, der Aufstand ginge von neuem los! Bis sie den Kerlen dann den Leichnam weggenommen und in den Fluss geschmissen und sich alles wieder beruhigt hatte, war es Abend, und die Tore wurden auch nicht mehr geöffnet.«
»Ich habe gesehen, was mit der Leiche passierte, nachdem man sie in den Fluss geworfen hatte.«
»Ich war nicht dabei, aber ich kann’s mir denken. Zuerst hatte man den Leichnam seiner Familie übergeben, dann erfuhr die signoria jedoch, wie grässlich der alte Kerl bei seiner Hinrichtung geflucht und alle verwünscht hatte. Aus diesem Grund brachten sie die Leiche nicht mehr zurück, als sie sie wiederhatten, sondern überließen sie dem Wasser; so wie man ja auch die ganzen Abfälle und die Scheiße in den Fluss gibt.« Er zuckte mit den Schultern und blickte auf seine Papiere nieder. Was er dort sah, ließ ihn wieder in Fahrt geraten. »Jedenfalls musste deswegen eine ganze Lieferung Stoffe aus Venedig draußen kampieren. Bei dem Unwetter! Könnt Ihr Euch vorstellen, wie das Zeug aussieht? Nass wie die Fische. Ein Wagen ist auch noch umgefallen und hat seine Ladung in den Dreck gekippt.
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