Duell der Leidenschaft
Kleidung und Vergnügungen interessierte und das kaum dazu geeignet schien, auf ein junges Mädchen aufzupassen. Er war nicht immer im Irrtum, aber er hatte auch nie völlig recht.
Ihre Tante Lily war keine Frau, die ständig über ihr Leid klagte. Sie hatte eine arrangierte erste Ehe ausgehalten, ohne dass Kinder aus dieser Verbindung hervorgegangen wären. Auch wenn sie selbst zweifellos Trauer empfunden haben musste, hatte es sie nicht dazu veranlasst, ihre Nichte gegen eine gleichermaßen arrangierte Ehe aufzubringen. Trotzdem war Sonia davon überzeugt, dass ihre eigene Abneigung, sich stumm in ihr Schicksal zu fügen, zum großen Teil daher rührte, was sie von ihrer Tante Lily über derartige Ehen gehört hatte. Zwar hatte ihre Tante selten einen direkten Vergleich gezogen, doch es war immer klar gewesen, dass sie ihre zweite Ehe als wesentlich glücklicher empfand, da sie diesmal aus Liebe geheiratet hatte.
Spontan drückte Sonia ihre Tante an sich, da sie eine unendliche Dankbarkeit für alles empfand, was die für sie getan hatte. Vor allem aber war sie froh, dass sie nun bei ihr war. Innig lächelten sich die beiden an, dann schließlich widmeten sie sich der bedeutsamen Frage, was Tante Lily mitgebracht hatte, um Sonias entwürdigende Knabenkleidung zu ersetzen.
Inmitten des Ankleidens kam ein Seemann mit dem restlichen Gepäck zu ihnen. Ihm folgte eine Frau mit einem Tablett und brachte ihnen Cafe au lait und Brot mit Butter und Honig. Die stumpf dreinblickende, blasse Frau mittleren Alters sprach nur wenig Französisch, gab ihnen aber mit einer Mischung aus gebrochenem Deutsch, Englisch und Kreolisch zu verstehen, der große amerikanische Gentleman habe ihnen das Frühstück kommen lassen. Sie machte auch deutlich, dass es sich um eine höfliche Geste handelte, die sich nicht wiederholen würde.
Auf Monsieur Wallace angesprochen, schien die Frau keine Ahnung zu haben, wo der sich momentan aufhielt. Sie konnte nicht sagen, ob er sein Gepäck bereits an Bord gebracht hatte oder ob er sich irgendwo in der Nähe aufhielt, um sie zu beobachten.
Es war eine höchst unbefriedigende Situation.
Sonia und ihre Tante verbrachten eine Weile damit, die beengte Kabine möglichst zweckmäßig aufzuteilen, um Zugriff auf ihre Habseligkeiten zu haben. Dass dies eigentlich eine recht nutzlose Beschäftigung war, behielt Sonia lieber für sich. Tante Lily war über ihr scheinbares Einlenken so erleichtert, dass es herzlos gewesen wäre, sie wieder in Aufregung zu versetzen.
Außerdem wollte sie ihre Tante nicht in weitere Fluchtversuche verstricken, die womöglich einen öffentlichen Skandal nach sich ziehen würden. Tante Lily amüsierte sich gern und gab sich kokett, aber innerhalb konservativer Grenzen. Den möglichen Schutz durch ihre Mutter - also Sonias Großmutter — zu erbitten, war eine Sache, aber eine wahre Schande war für sie eine entsetzliche Vorstellung.
Es war bereits fast Mittag, als sie und ihre Tante schließlich die Kabine verließen. Auf dem Weg zum Oberdeck schlenderten sie über die Planken und beobachteten, wie ein endloser Strom an Schauerleuten Fässer, Kartons und Kisten an Bord brachte. Karren säumten den Anlegeplatz und zogen sich in einer Linie bis hin zum Place dArmes, und jeder von ihnen war mit noch mehr Fracht bepackt, die in den Laderaum geschafft werden musste. Die Menge war so immens, dass man meinen konnte, die Lime Rock müsste unter dem Gewicht sinken.
Bei der Lime Rock handelte es sich um eines dieser neuen Segelschiffe mit zwei Schaufelrädern, die die Arbeit der Segel unterstützten. Es war von elegantem, schnittigem Aussehen, besaß einen einzelnen Schornstein und verfügte über drei geräumige Decks sowie ein Steuerhaus. Der Anstrich des Rumpfs mit kastanienbraunen und dunkelblauen Streifen oberhalb der Wasserlinie und in Schwarz unterhalb davon wirkte elegant. Im Vergleich zu älteren Segelschiffen war die Lime Rock ein schnelles Schiff und verkehrte regelmäßig zwischen New Orleans und einer Reihe von südamerikanischen und mexikanischen Häfen. Auf dem Weg nahm sie Fracht und Nachrichtenblätter mit, sodass Neuigkeiten zwischen den beiden Hemisphären ausgetauscht werden konnten.
Nur wenige weitere Passagiere waren an Bord gekommen. Sonia und ihre Tante grüßten eine geplagte junge Mutter, die an jeder Hand ein Kleinkind hielt, während ein Dienstmädchen ihr mit einem Säugling im Arm folgte. Ein Stück weiter stand ein vornehm aussehender älterer Mann mit
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