Duell der Leidenschaft
betrachtete den rosigen, feuchten Mund, den benommenen Blick in ihren Augen, das Rot ihrer Wangen.
Langsam holte er Luft, die in seinen Lungen brannte, dann schob er Sonia ein Stück weit von sich weg.
»Hören Sie mir gut zu«, erklärte er mit rauer, aber ernster Stimme, »denn ich werde das kein zweites Mal sagen. Ich werde nicht zulassen, dass Sie irgendeinen Mann an Bord dieses Schiffs benutzen, um Ihre Flucht vorzubereiten. Wenn Sie wollen, dass einer von ihnen sein Leben verliert, dann führen Sie ihn in Versuchung und setzen Sie ihn auf mich an, und ich werde ihm das Leben nehmen. Wir beide, Sie und ich, reisen nach Vera Cruz. Der einzige Mann, mit dem Sie näher zu tun haben werden, ist der Mann, der jetzt vor Ihnen steht. Wenn Sie das vergessen, übernehme ich keine Verantwortung für das, was dann geschieht.«
»Mit dem ich näher zu tun haben werde«, wiederholte sie, als seien es Worte in einer ihr fremden Sprache.
»Wenn Sie gehen und stehen, ob Sie sich unterhalten oder tanzen, ich werde immer an Ihrer Seite sein. Am
Morgen, am Mittag, am Abend - und vor allem in der
Nacht.«
»Weiter nichts?«
Berechnung war in ihrem Blick zu erkennen, wie ihm der kühle Glanz ihrer Augen verriet. Er sah, aber ignorierte es. »Sonst nichts. Ich werde Rouillard seine Braut übergeben, unverletzt, unbefleckt und verstockt. Ob der Rest dieser Reise für Sie angenehm oder unangenehm verläuft, ist ganz allein Ihnen überlassen.«
Sie hob ihr Kinn an. »Sie sind sehr von sich eingenommen für einen Mann, der sich soeben etwas erlaubt hat, das mehr Nähe erfordert als müßiges Flirten.«
»Falls ich mich entschließen sollte, mit Ihnen zu flirten, Mademoiselle Bonneval«, versprach er ihr leise, »dann wird es ganz bestimmt nicht müßig sein.«
Sie bewegte keinen Muskel, und doch nahm ihr Gesicht mit einem Mal einen so herablassenden Ausdruck an, dass ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. »Falls Sie sich entschließen?«
»Machen Sie sich wegen dieser Aussicht keine Sorgen. Ich bin weder so leichtsinnig noch so dumm. Vor allem aber akzeptierte ich den Auftrag Ihres Vaters, gab ihm die Hand darauf und werde nun mein Wort halten.«
»Wie ehrbar von Ihnen. Ist Ihnen klar, dass so viel Ehrbarkeit ihren Preis haben kann?«
Was ging hinter diesem Blau ihrer Augen vor? Er hätte seinen rechten Arm gegeben, um das zu erfahren, obwohl eine innere Stimme ihm sagte, dass es ihm kein bisschen gefallen würde. »Das fiel mir jedes Mal auf, wenn ich einem Mann beim Duell gegenübertrat, Mademoiselle. Für manche Gesten kann der Preis höher ausfallen als für andere.«
»Sie ahnen gar nicht, wie hoch er wirklich auslallen kann. Keinesfalls.«
Sie wandte sich ab und ging in einem sonderbar elegant erscheinenden, durch den Seegang bestimmten Zickzackkurs den Gang entlang, während ihre Worte in seinen Ohren nachhallten. Mit zusammengekniffenen Augen schaute Kerr ihr nach, und mit einem Mal verspürte er dort eine schmerzende Leere, wo sich sein Herz hätte befinden sollen.
Fünfzehntes Kapitel
Mit dem Tagesanbruch zog Nebel auf, und auch wenn die See nach wie vor unruhig war, schienen doch wenigstens Sturm und Regen weitergezogen zu sein. Aus der Takelage rieselte Wasser auf die nassen Planken und die Reling herunter, und bei jedem donnernden Knall der Segel, die die Arbeit der Dampfmaschine unterstützten, stieg eine Wolke aus feinen Tropfen auf.
Kerr stand da und bewegte sich entgegen dem Schwanken des Schiffs, die Hände auf der Reling. Die vom Sturm gereinigte Luft atmete er jetzt tief ein und merkte, wie sie das von der rauen See ausgelöste Unwohlsein allmählich vertrieb. Als Matrose auf hoher See hätte er es zu nichts gebracht, doch das störte ihn nicht, war er in seinem Herzen doch ein Farmer so wie vor ihm sein Vater und sein Großvater.
Genau genommen hatte er zweifellos mehr von einem Plantagenbesitzer in sich als dieser Tremont. Ein paar beiläufige Fragen während des Kartenspiels hatten das sehr schnell deutlich werden lassen.
Seine Gedanken kehrten zurück zu den Kisten mit Waffen und Munition und zu der Frage, was mit ihnen geschehen sollte. Er hatte abgewartet, ob Tremont seine Überprüfung der Fracht erwähnen würde, doch bislang war das nicht geschehen.
Kerr wollte in diesem Moment kein Name einfallen. Er würde ein Auge auf die Fracht haben müssen, wenn sie ihr Ziel erreicht hatten, und sicherstellen, dass nicht jemand sie verschwinden ließ, bevor Klarheit geschaffen war. Ob das
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