Duell der Liebe
kleine Schwester, hatte an der Ostküste die Schule besucht, und ihr Vater hatte sie im Hause seiner verwitweten Schwester untergebracht. Maddie hatte zwar gewußt, daß Laurel nur ein paar hundert Meilen von ihr entfernt wohnte, aber da sie einen vollen Terminkalender hatte und mindestens dreimal wöchentlich auftreten mußte, hatte sie keine Zeit gehabt, einen Besuch in Philadelphia zu machen - oder sie hatte sich nicht die Zeit dafür genommen, korrigierte sie sich.
Maddie erinnerte sich, daß ihre Schwester ein etwas dickliches, linkisches Kind gewesen war, das ihr nachgelaufen war wie ein Schoßhund und immer unter ihrem Klavier gehockt hatte, wenn sie gesungen hatte.
In den neun Jahren, die Maddie in Europa gewesen war, hatte sie Botschaften und Fotos mit ihrer weit entfernten Familie ausgetauscht und glühende Verehrerbriefe von Laurel erhalten, als diese größer wurde. Laurel konnte weder singen wie Maddie noch so gut zeichnen wie ihre Schwester Gemma, aber sie konnte zumindest ihre begabten älteren Schwestern bewundern. Sie hatte Zeitungsausschnitte über Maddie gesammelt und sie aus der Feme angehimmelt.
Maddie hatte die Verehrung ihrer kleinen Schwester wie eine Selbstverständlichkeit hingenommen und ihr jahrelang Programme aus Opernhäusern geschickt, die von einem König oder dem Zaren signiert waren. Zuweilen hatte sie ihr auch einen kleinen vergoldeten Fächer oder ein Perlenhalsband aus Europa geschickt, doch die Zeit, sie zu besuchen, hatte sie sich nie genommen, selbst als sich ihre kleine Schwester nur wenige Fahrstunden von ihr entfernt aufgehalten hatte.
Als Maddie in Philadelphia angekommen war, hatte ihre Tante mit einer schweren Nervenkrise im Bett gelegen. Fast eine Woche war vergangen, seit ein Mann ins Haus gekommen war und ihr mitgeteilt hatte, er hielte Laurel gefangen und wolle mit Maddie sprechen.
»Dein Vater wird mir das niemals verzeihen«, hatte ihre Tante immer wieder geklagt. »O Maddie, ich habe mein Möglichstes getan. Laurel ist so ein süßes Kind. Sie war nie so schmutzig oder vorlaut wie andere Kinder und hat ihre neue Schule geliebt. Warum mußte ihr nur so etwas passieren? «
Maddie hatte ihrer Tante eine kräftige Dosis Laudanum verabreicht und sich dann in den Salon begeben, um zu warten. Es war ein langer, nervenaufreibender Tag geworden, ehe sich jemand mit ihr in Verbindung gesetzt hatte. Gegen Abend war ein Mann an der Haustür erschienen. Er hatte zwar seinen Hut aufbehalten und im Schatten gestanden, aber Maddie hatte sich seine Gesichtszüge genau eingeprägt.
Er hatte ihr mitgeteilt, daß sie Laurel zurückerhalten würde, wenn sie die neuen Goldgräberlager am Colorado River besuchte und dort in sechs Städten sang. An jedem dieser Orte würde sich jemand mit ihr treffen und ihr eine Wegskizze überreichen. Sie sollte dann an dem darauf verzeichnten Ort erscheinen und nach einem Mann Ausschau halten, der ihr einen Brief geben würde, den sie am nächsten Übergabepunkt jemand anderem zustellen sollte.
»Was steht in diesen Briefen? « hatte Maddie gefragt, ohne erst zu überlegen.
»Das geht Sie nichts an«, hatte der Mann barsch geantwortet. »Sie tun nur, was ich Ihnen sage und stellen keine Fragen. Nur dann bekommen Sie Ihre kleine Schwester gesund wieder. «
Er hatte sie auch davor gewarnt, um Hilfe zu bitten oder jemandem von dieser Sache zu erzählen. Wenn sie seine Anweisungen genau befolgte, würde sie ihre Schwester im dritten Goldgräberlager sehen dürfen und sie ganz bei sich behalten können, sobald sie die sechste Goldgräberstadt erreicht hätte.
Maddie dachte nicht mehr an ihre geplante Tournee durch die Städte an der Ostküste. Sie hatte ihrem Manager aufgetragen, alle Termine abzusagen. John war wütend gewesen und hatte gejammert, weil sie Amerika kampflos Adelina Patti überließ und die Amerikaner sie in Zukunft bestimmt schneiden würden.
Maddie wußte, daß John recht hatte, aber sie wußte auch, daß sie gar keine andere Wahl hatte. Sie hatte bestimmt keine Lust, in den Westen zu reisen und für eine Horde von Goldgräbern zu singen, die meinten, eine Oper sei daran zu erkennen, daß eine dicke Frau sang. Sie hatte schon genug Probleme am Hals, auch ohne sich bei einer Bande wilder Banausen in Gefahr zu begeben, aber sie mußte ihre Schwester retten.
John hatte zu guter Letzt alle Vorstellungen abgesagt, aber zugleich den Vertrag mit ihr gekündigt. Sie waren seit Maddies siebzehntem Lebensjahr zusammengewesen, und alles,
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