Duell der Liebe
mit ihrer Haut. Sie hatte jetzt die Aufmerksamkeit der ersten Reihe für sich gewonnen. Und als sie die Nadeln aus ihrem Haar zog und es ihr über die Schultern floß, hatte sie die Aufmerksamkeit der nächsten fünf Reihen erobert.
Carmen war eine Rolle für einen Mezzosopran, und Maddies Stimme hatte nicht das nötige Timbre dafür, aber was ihr an Timbre fehlte, ersetzte sie durch Leidenschaft. Die ersten Worte der »Habanera «lauteten: »Liebe ist ein rebellischer Vogel, den niemand zähmen kann, und es ist ein vergebliches Bemühen, ihn zu rufen, wenn er nicht kommen will. «
Als sie die Zeilen sang, daß die Liebe ein Zigeunerkind sei, spielte sie auch ein Zigeunerkind. Sie warf ihren Rock zur Seite, daß man ihre Knöchel in den schwarzen Seidenstrümpfen sehen konnte. Als sie zu der Stelle kam, wo sie »L ’amour« mehrmals wiederholte, gab sie sich so verführerisch, wie sie konnte.
Sie hatte noch niemals in ihrem Leben eine solche Figur auf der Bühne verkörpert, aber als sie die Arie zum zweitenmal anstimmte, bereute sie sogar fast, daß sie bisher noch nie in so einer Rolle aufgetreten war. Sie spürte, wie der Blick des Captain auf ihr ruhte. Gestern war sie ihm gegenüber zudringlich geworden, und er hatte »nein« gesagt, aber die großen Augen der Männer im Zuhörerraum verrieten ihr, daß sie keiner von ihnen jetzt abweisen würde.
Sie verließ die Bühne und mischte sich unter die Männer. Ihre Bluse stand nun bis zur Taille offen, und wie ihr Edith prophezeit hatte, quollen ihre Brüste aus dem grellroten Seidenkorsett. Sie beugte sich zu den Männern und sang, sprach von der Liebe als etwas, »das dir entwischt, wenn du meinst, du kannst es festhalten«, und dabei entglitt sie den Händen der Männer, die nach ihr greifen wollten.
Beim dritten Vortrag der »Habanera «‘ging sie von Tisch zu Tisch. Sie war nun die treulose verführerische Carmen, die jedem Mann auf der Welt den Kopf verdrehen konnte - aber sie selbst konnten sie nicht haben.
Als sie die Arie zum drittenmal gesungen hatte, schaute sie Frank an. Er bemühte sich, seine Überraschung nicht zu zeigen - aber es gelang ihm nicht. Captain Montgomery sah sie mit gerunzelten Brauen an. Sie lächelte ihm zu und ging dann zur nächsten Arie über, in der sie Don Jose mitteilt, daß ihr Herz niemandem gehöre.
Sie vermutete, daß die meisten ihrer Zuhörer die französischen Worte nicht verstanden, aber das galt nicht für Captain Montgomery. Sie sang die Arie mit echtem Gefühl, legte ihr ganzes Können in die Worte, daß sie ihren Liebhaber mitnehmen würde, um nicht vor Langeweile zu sterben.
Am Ende ihres Vortrages erlebte Maddie die größte Überraschung ihres Lebens: Aus dem Zuhörerraum kam ein etwas schmuddelig aussehender älterer Mann auf sie zu und befahl ihr auf französisch, in einer recht angenehmen Tenorstimme, daß sie schweigen und keinen Ton mehr von sich geben sollte.
Maddie erholte sich rasch von ihrem Schock. Sie merkte, daß der Mann die Rolle von Don Jose übernommen hatte, und spielte mit. Sie sang und tanzte, als ob sie wirklich eine Zigeunerin, die einen Mann verführte, wäre.
Die Goldgräber grinsten und boxten sich gegenseitig in die Rippen, während sie hörten, wie der alte Sleb mit dieser schönen Frau im Duett sang. Sie beobachteten, wie Maddie, als Carmen, ihn foppte, ihm mit ihrer Miene und ihrem Körper zu verstehen gab, daß sie ihn lieben könne, wenn sie Lust dazu hätte. Der arme Sleb war ein Spiegelbild dessen, was alle Männer im Saal empfanden: Man sah ihm an, daß er seine Seele dem Teufel verkaufen würde, wenn er sie haben könnte, und daß er sich vielleicht umbringen würde, wenn sie sich verweigerte.
Sleb sang seine Qual heraus, während Maddie den Part der Frau sang, die ihn beherrschte. Ihre Stimme war so gewaltig, daß sie sich gegen den Lärm und den Trubel, den die Zuhörer verursachten, durchsetzte und jeder Ton klar und deutlich zu vernehmen war.
Der Jubel und Applaus der Goldgräber erschütterte das Gebäude bis in die Grundfesten. Maddie atmete erleichtert auf, musterte Captain Montgomery und freute sich über seinen finsteren Blick. Sie verneigte sich vor ihrem Publikum und reichte dem Mann die Hand, der auf so unerwartete Weise die Rolle von Don Jose übernommen hatte.
Doch die Goldgräber waren nicht bereit, ihr einen normalen Abgang zuzugestehen. Sie stürmten die Bühne, und Maddie sah, daß ’Ring einen Satz machen wollte, um sie vor der Menge zu retten, aber
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