Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
stand und an der Klingelschnur zog, war sie in ihrer Verkleidung sicher. Der kleine Klumpen des Tajicho schmiegte sich in ihrem Stiefel warm an ihre Haut und beruhigte sie, wie er sie auch vor feindlichen Verfolgern warnte. Sie schaute hoch und berührte die Hand einer der Jungfrauenfiguren in dem Springbrunnen; es kam ihr vor, als wärmten diese Finger für einen Augenblick die ihren. Dann schüttelte sie den Kopf und gestand sich wehmütig ihr Bedürfnis nach Bestätigung ein.
Sie schritt ruhig über den Hof. Die Stille wirkte drückend und gespannt. Sie ging an dem kleinen, rechteckigen Gebäude entlang, in dem die Tochter und ihre Altardiener untergebracht waren. An der kleinen Tür hob sie die Hand und faßte nach dem Glockenstrang. An seinem Ende war aus einem großen Stück Bernstein eine schlanke, graziöse Hand geschnitzt. Um die Glocke zu betätigen, mußte sie die Hand in ihre nehmen und ziehen. Die Bernsteinfinger fühlten sich warm und angenehm an. Ihr Herz pochte, ihr Atem kam stoßweise, sie zog und hörte den gedämpften Klang einer Glocke im Innern. Die Tür wurde aufgerissen. Sie zuckte zurück, als sie in das Gesicht eines Plaz-Gardisten starrte, eines kräftigen, narbigen' Mannes mit sorgfältig geplättetem Wappenhemd und sauberem Lederzeug. Er blickt finster auf sie herab. »Was willst du, Junge?«
Serroi schluckte, ihr Mund fühlte sich plötzlich trocken an. Sie räusperte sich und krächzte: »Eine Botschaft.« Ihre Zunge zuckte über trockene Lippen. »Eine Botschaft für die Tochter«, sagte sie.
»Gib her, ich werde sie ihr zukommen lassen.« Er streckte seine linke Hand aus. In irgendeiner Rauferei der Vergangenheit hatte er den kleinen Finger und die obersten Glieder der restlichen vier verloren.
Serroi kämpfte gegen eine Furcht an, die ihr Übelkeit im Magen hervorrief und schüttelte den Kopf: »Mündliche Botschaft«, sagte sie belegt. »Sagen Sie der Tochter das Folgende: Die den Wind melkt und Drachenzähne sät, hat Nachricht für die Tochter.«
Der Gardist grunzte und beugte sich vor, um sie skeptisch aus leicht kurzsichtigen Augen zu mustern. »Bleib hier.« Er schlug ihr die Tür vor der Nase zu. Sie sank aufs Pflaster und versuchte, das Zittern ihrer Knie zu unterbinden. Mit bebender Hand wischte sie sich den Schweiß vom Gesicht.
Wir haben Mondensammlung,
dachte sie.
Wenn Tayyan und ich nicht solche Schwierigkeiten über unseren Orden gebracht hätten, wäre die Wache hier eine Meie; aber mit dem Wirbel, den die Söhne gegen uns entfachten, ist es vielleicht doch nicht allein meine Schuld. Wahrscheinlich doch nichts Besorgniserregendes. Die Tochter muß bewacht werden. Zumindest trägt er keine Armbinde. Es muß doch noch' ein paar Gardisten geben, die nicht in dieses Komplott verstrickt sind. Sie rieb sich die Nase. Egal. Ich bin ein Junge, ein Bote und nicht die Meie, nach der sie suchen.
Die Tür wurde aufgerissen. Der Gardist nickte. »Komm herein, Junge«, knurrte er.
Sie folgte ihm ins Innere. Da war ein dunkles, kleines Vorzimmer, das stark nach Wachs und Politur roch, dann eine von Öllampen erleuchtete Halle, das Öl mußte parfümiert sein, denn sein süßer Duft erinnerte sie an den Frühling in den Bergen. Der Gardist stolperte vor ihr her. Sein Verhalten fing an, ihr Sorgen zu machen. Er schien sich keinen Deut darum zu scheren, wo er sich befand, schien taub für die Stille, die er mit jedem polternden Schritt störte.
»Hier herein, Junge.« Er zog einen Vorhang zurück, winkte sie durch einen Bogen und stapfte dann davon, als sie in den kahlen Raum trat, wo Frieden ihre Furcht überwand.
Das Zimmer war etwas länger als breit. Dunkelblaue Wandteppiche waren weiß gesprenkelt mit Pünktchen und Linienfiguren. Nach einer Weile erkannte sie das als Sternbilder; die Pünktchen waren die Sterne, die weißen Figuren die Phantasiebilder. Am anderen Ende des Raumes waren zwei Stühle einander gegenüber aufgestellt. Während sie noch zögerte, teilte sich der Wandbehang neben den Stühlen, und eine verschleierte Gestalt betrat den Raum. Die schlanke, graziöse Person trug ein langes, graues Gewand und darüber einen durchschimmernden, grauen Schleier, der so fein war, daß er in der ruhigen Luft zu schweben schien. Die Frau setzte sich und winkte Serroi.
Ihr Herz klopfte wieder, als sie den Raum durchquerte und neben dem freien Stuhl stehenblieb. Eine wohlgeformte Hand kam unter dem Schleier hervor und lud sie mit fließender Geste ein, Platz zu nehmen und
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