Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
hörte, wie die Ratten, die sie dabei umwarf, vor Furcht und Verwirrung pfiffen. Sie trank und trank immer weiter. Ihr Kopf pochte. Sie fuhr mit der Hand hoch und schrie auf, als sie ihren Augenfleck berührte, der sich von ihrer Stirn herauswölbte und heißer brannte als das Fieber in ihrem Blut. Irgend etwas hielt sie in seiner Macht; irgend etwas hielt sie, rief die Ratten zu ihr, ließ sie in Flammen stehen und brannte das Fieber aus ihr heraus. Sie blinzelte, konnte wieder sehen dank ihrer einsetzenden Nachtsicht, sah in den Tönen Grau, Grün 'und Schwarz. Sie sah den wogenden Teppich kleiner Leiber, die übereinanderkrochen, sich duckten, bebten, ihr ganzer Körper war voll von ihnen bis zur Taille, sie saßen hinter ihr und auf ihren Schultern. Warmes, lebendiges Ungeziefer. Um sie her und über ihr. Sie hätte vom Grauen zittern müssen, das wußte sie vage wie von einem Teil ihrer Selbst, der in einiger Entfernung stand und sie beobachtete. Sie glühte vor Fieber, glühte von dem Ding in ihr, welches das Fieber bekämpfte. Sie konnte sich nicht erinnern. Da war etwas, an das sie sich erinnern mußte, sie konnte sich nicht erinnern, und es war doch wichtig... sie schlief wieder ein. Als sie erwachte, war sie völlig verkrampft und steif, doch ihr Körper fühlte sich kühler an; was immer an der Peitschenspitze gewesen war, nun war seine Wirkung weitgehend verflogen. Sie blinzelte. Ihr Augenfleck pochte und ihre Nachtsicht kehrte zurück. Der Rattenteppich um sie her quiekte und wogte und piepste ängstlich. Aus dem Dunkel kam eine Schabe angeschwirrt und setzte sich an den Stein neben ihrem Kopf. Mehr kamen, krochen über die Steine, über sie, Schaben kamen und kamen und kamen, flogen in Schwärmen um sie herum und krabbelten ihr über Kopf und Arme. Sie kicherte; Schaben kamen, ihre Ahnherrin zu rächen. Sie hörte auf zu kichern, als der Laut zu schrill wurde. »Eine Armee«, murmelte sie. Es fiel ihr schwer, den Mund richtig zum Sprechen zu bewegen. Die Peitsche hatte auch ihr Gesicht gestreift und am Mundwinkel eine Wunde aufgerissen. Ihre Wange war geschwollen, und das ganze Gesicht fühlte sich steif an.
Die Dunkelheit in dem Gang war zeitlos. Nur das Klopfen ihres Herzens ließ die Minuten für sie verrinnen. Sie war durstig und trank erneut aus dem Weinschlauch. Sie fühlte sich nun insgesamt kühler, obwohl der Wein ihre Kehle wärmte. An ihrem Bein war eine kleine, glühende Stelle, wo der Tajicho von Minute zu Minute heißer brannte. Allmählich erinnerte sie sich, was geschehen war und warum sie hier in der völligen Dunkelheit saß. Sie setzte sich auf, schüttelte Ratten und Schaben ab, rappelte sich auf die Füße. Sie schwankte und schlug die Hand gegen die Mauer, um nicht umzufallen. Es mußte Zeit für die Zeremonie des Norids sein. Zumindest kurz davor. Der Noris war zugange, wie ihr das Feuer des Tajicho verriet. Sie ballte die Finger zur Faust und schmetterte sie voller Zorn und Furcht gegen die Wand; das Fieber und das Gift der Sleykynpeitsche hatten sie außer Gefecht gesetzt, bis der Mondensammlungszauber des Norid seinem Höhepunkt entgegenging.
Sie verringerte ihre Nachtsicht und konzentrierte ihre ganze Kraft auf die Suche nach Domnor Hern. Sie drehte langsam den Kopf, als der Augenfleck pochte und die körperlosen Suchfinger sich immer weiter dehnten, umhertasteten und schließlich nach oben rechts zogen. Mit Schaben, die um ihren Kopf flatterten und sich an ihre zerlumpten Kleider klammerten und den Ratten, die wie schmutziger Schaum um ihre Stiefel schwappten, begann sie sich den Weg durch die Mauern hinauf zum Schlafgemach des Domnors zu bahnen.
Hoch und um die Ecke, enge Stiegen hinauf, wo die Flut der Ratten vor und hinter ihr sich verlängerte, immer höher hinauf und dann die Wendeltreppe im Mittelturm hoch. Immer rund herum und höher hinauf gegen den Wind, der zurückzustoßen versuchte und immer stärker wurde, bis sie sich ihm entgegenstemmte, wie man sich einen Sturm entgegenstellt, so kämpfte sie um jeden Schritt.
Bis sie vor einem Ausgang, der aussah wie all die anderen, an denen sie bereits vorübergekommen war, Halt machte. Sie blieb stehen und wußte zweifelsfrei, daß sich dort der Domnor befand. Sie spürte die gesamte Materie beben, bis sie fast Angst hatte, das Gebäude könnte zusammenbrechen; die Tiere duckten sich um sie herum ohne einen Laut, mit einer unheilvollen, unnatürlichen Stille. Die Schaben schwirrten um ihren Kopf, setzten sich dann um
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