Duell der Magier 01 - Unter den magischen Monden
herübergeschaut, aber er wußte auch so, daß sie da war. Serroi leckte sich über die Lippen. »Setz dich neben mich«, sagte er. Eine bleiche Hand fiel auf ein dickes Kissen am Boden neben dem Diwan. Die Geste war zu gewollt graziös, ein weiterer Beweis seines mangelnden Wohlbehagens. Serroi schritt schweigend zu dem Kissen und ließ sich steif neben ihm nieder. Obwohl sie ihre Gefühle nicht hätte in Worte kleiden können, war ihre Verlegenheit durch seine ausgelöst worden. Sie starrte in die Flammen und wartete, daß er das Wort ergriff.
Nach längerem Schweigen sah sie hoch, und ihre Blicke begegneten sich. Seine Augen ruhten auf ihr und strahlten vor Neugier, als erprobte er seine und ihre Reaktionen, als erkundete er sich selbst mit einer eigentümlichen Objektivität, die sie verwirrte. Bei ihren eigenen Leuten wurden Gefühle an der Oberfläche ausgelebt. Keiner hielt sich zurück, seinen Zorn zu überdenken, sondern war schlicht und einfach wütend.
»Hast du dich gemütlich eingerichtet?«
»Ja, Ser Noris.« Sie grübelte eine Minute vor sich hin. »Die Hände haben mir eine Menge lustiger Zeichen beigebracht.« »Es sind Bilder von Lauten, Kind.«
Da er erheitert wirkte, zog sie die Nase hoch und beklagte sich:
»Hände sprechen nicht, Ser Noris. Wie soll ich jemals erkennen, welche Zeichen für welche Laute stehen?«
»Erlerne die Zeichen.« Er gähnte und zog sich geistig und körperlich gleichermaßen von ihr zurück.
Sie fühlte, daß sie zu schnell vorgegangen war. Das war wie beim Zähmen eines wilden, mißtrauischen Tieres. Damit er sie nicht fortschickte, sagte sie deshalb schnell: »Was ist ein Noris, Ser Noris?«
»Hmmm.« Er legte sich in die Kissen zurück und starrte zu den wabernden Schatten empor, die über die ferne Zimmerdecke hüpften. »Ein Noris ist ein Gestalter; Wind, Wasser und Gestein antworten auf seine Worte. Ein Noris greift nach fremdartigen Unterwelten, die dir Angst einflößen würden, Kind. Er ist ein Zähmer von Dämonen. Der Brennpunkt von Kräften, die die Welt erschüttern können. Ein Noris ist ein Mann mit schrecklicher Macht, der für alle Zeit von der größten Macht ausgeschlossen bleibt.« Die Bitternis in diesen letzten Worten ließen sie schon bedauern, daß sie die Frage gestellt hatte, doch die Stimme fuhr fort und überwand die Bitterkeit. »Du hättest fragen sollen, was ein Nor ist, Kind.« Er streckte die Hand aus und streichelte Serrois Locken, eine geistesabwesende Liebkosung, der er sich nicht einmal bewußt war. »Nor ist die allgemeine Bezeichnung für das, was ich bin. Es gibt verschiedene Arten von Nor. Manche sind schwache, flüchtige Geschöpfe, die, weil sie ein paar billige Tricks beherrschen, sich in dem Irrglauben wiegen, sie gehörten zu den Mächtigen. Häufig dienen sie als Priester der Flamme den Söhnen der Flamme, die als einzige Gruppe töricht genug sind, ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Das sind die Norids, die Straßen-Nor. Manche Nor sind durchaus fähige Wanderzauberer, doch sie benötigen aufwendiges Zubehör, sonst mißraten ihre Sprüche. Sie brauchen Weihrauch und Kerzen aus Leichenfett, Katzendreck, Pentagramme, Amulette und Talismane. Sie können arrogant und töricht sein, und häufig überschreiten sie ihre Grenzen und enden als Futter oder Sklaven der Dämonen, die sie anrufen wollten. Die findest du an den Höfen der Könige, die sich gerne mit Macht aus zweiter Hand umgeben und sich rühmen, Männer zu beherrschen, die solche Wunder vollbringen. Das sind die Norids.« Plötzlich richtete er sich auf und starrte in das Dämmerlicht über ihrem Kopf. »Schließlich sind da noch die Wortmeister, die sich durch viele Studien und angeborene Talente über den Gebrauch irgendwelcher Geräte hinausentwickeln und nur noch auslösende WORTE benötigen, um das zu beherrschen, was sie beherrschen dürfen. Und dann gibt es noch diejenigen, welche die Grenzen dessen, was wir beherrschen, erweitern wollen bis ... es ist nicht so einfach, wie es aussieht.« Er blinzelte, war nun wieder ganz bei ihr und hatte den Traum zurückgelassen, den er in seinem Herzen versteckt trug. »Nein, Kind, es ist nicht so einfach. Man erlernt nicht einfach die Worte und schreit sie in den Wind. Jedes der Worte beruht auf einer Menge Studien, auf Disziplin und Verzicht und einer Vorbereitung, die an der Oberfläche nicht sichtbar wird. Ich, kleine Serroi, bewege mich inmitten eines Geflechts von Potenzen, die im Laufe der vielen Lebzeiten
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