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Duell der Zauberer

Duell der Zauberer

Titel: Duell der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Dinge nur im richtigen Maßstab sehen könnte. Wie so viele gute Ideen, die von Zeit zu Zeit in Tolnedra auftauchten, geriet auch diese sofort aus den Fugen. Ein halber Hektar des kaiserlichen Grund und Bodens wurde in ein maßstabsgetreues Modell des Grenzgebietes zwischen Ostalgarien und Mishrak ac Thull verwandelt. Um dem Ganzen das richtige Aussehen zu verleihen, wurde eine größere Anzahl kleiner Bleifiguren gegossen, die dem Kaiser dabei helfen sollten, sich das Operationsgebiet vorzustellen.
    Der Kaiser verkündete unverzüglich, daß er mehr von diesen Bleifigürchen haben wollte, damit er besser verstehen könnte, welche Menschenmengen beteiligt waren. Und so wurde in Tol Honeth eine neue Industrie geboren. Über Nacht wurde Blei erstaunlich rar.
    Damit er das Feld besser überblicken konnte, bestieg der Kaiser jeden Morgen einen fast zehn Meter hohen Turm, der zu diesem Zweck hastig errichtet worden war. Mit der Hilfe eines stimmgewaltigen Leutnants aus der Palastwache ließ der Kaiser dort seine Bleiregimenter aus Infanterie und Kavallerie in exakter Übereinstimmung mit den letzten Nachrichten aus Algarien aufmarschieren.
    Der Generalstab war nahe daran, geschlossen seinen Rücktritt zu erklären. Zum größten Teil handelte es sich bei ihm um Männer in fortgeschrittenem mittleren Alter, und es war eine anstrengende Kletterei, jeden Morgen zu dem Kaiser auf den Turm zu gelangen. Sie alle versuchten mehrfach, den hakennasigen kleinen Mann davon zu überzeugen, daß sie ebensogut vom Boden aus sehen konnten, aber davon wollte Ran Borune nichts hören.
    »Morin, er bringt uns um«, beschwerte sich ein rundlicher General bitter bei dem Kämmerer des Kaisers. »Ich würde lieber in den Krieg ziehen, als viermal am Tag diese Leiter rauf- und runterzuklettern.«
    »Rückt die drasnischen Lanzenträger vier Schritte nach links!« bellte der Leutnant vom Turm herab, und am Boden begannen ein Dutzend Männer, die kleinen Bleifiguren neu aufzustellen.
    »Wir alle müssen dem Kaiser so dienen, wie er es für richtig hält«, erwiderte Graf Morin philosophisch.
    »Ich sehe dich auch nie auf der Leiter«, warf ihm der General vor.
    »Unser Kaiser hat mich für andere Aufgaben ausersehen«, sagte Morin selbstgefällig.
    Am Abend suchte der müde Kaiser sein Bett auf. »Es ist sehr aufregend, Morin«, murmelte er schläfrig, den samtgefütterten Kasten, der die massiven Bleifigürchen von Ce’Nedra, Rhodar und den anderen Armeeführern enthielt, fest an die Brust gedrückt, »aber es macht mich auch sehr müde.«
    »Jawohl, Eure Majestät.«
    »Es gibt immer soviel zu tun.«
    »Das liegt in der Natur des Befehligens, Eure Majestät«, erklärte Morin.
    Aber der Kaiser war bereits eingeschlafen.
    Graf Morin nahm dem Kaiser das Kästchen aus den Armen und zog dem Schlafenden behutsam die Decke über die Schultern. »Schlafe, Ran Borune«, sagte er leise, »morgen kannst du wieder mit deinen Bleisoldaten spielen.«
    Sadi der Eunuch hatte den Palast von Sthiss Tor leise durch eine Geheimtür verlassen, die hinter den Sklavenquartieren auf eine schmutzige Gasse hinausging, welche in vielen Windungen zum Hafen führte. Er hatte absichtlich die Deckung abgewartet, die ihm das nachmittägliche Gewitter bot, und die schäbige Kleidung eines Dockarbeiters angezogen. Ihn begleitete der einäugige Berufsmörder Issus, der ebenfalls unauffällige Kleidung trug. Sadis Vorsichtsmaßnahmen waren Routine, nicht aber die Tatsache, daß er Issus als Begleiter ausgewählt hatte. Issus war weder Mitglied der Palastwache, noch gehörte er zu Sadis persönlichem Gefolge. Auf diesem Nachmittagsausflug kümmerte sich Sadi jedoch nicht um Äußerlichkeiten oder Anstand. Issus war im großen und ganzen von der Palastpolitik unberührt und genoß den Ruf, demjenigen gegenüber uneingeschränkt loyal zu sein, der ihn gerade bezahlte.
    Die beiden gingen durch die regennasse Straße auf ein gewisses, übel beleumdetes Etablissement zu, das von Arbeitern der unteren Klassen aufgesucht wurde. Sie gingen durch den lärmenden Schankraum in ein Labyrinth von Kabinen auf der Rückseite, wo andere Vergnügungen geboten wurden. Am Ende eines übelriechenden Ganges deutete eine magere Frau mit harten Augen, deren Arme vom Handgelenk bis zu den Ellbogen mit billigen, glitzernden Reifen bedeckt waren, wortlos auf eine zerkratzte Tür, dann drehte sie sich abrupt um und verschwand durch eine andere Tür.
    Hinter der Tür befand sich ein schmutziger Raum,

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