Duell im Eis
zog sich wieder an, warf den dicken Pelzmantel über, zog die Pelzkappe tief in die Stirn und trat hinaus auf Deck. Der Frost schnitt ihr ins Gesicht, als sei er ein Messer. Sie zog den Schal hoch bis zu den Augen, ging an die Reling und starrte in die helle Nacht. Eisschollen trieben auf das Schiff zu und wurden von dem stahlverstärkten Kiel polternd beiseite geschoben. Auf dem Dach der Kommandobrücke drehte sich das Radar, die Wachen beobachteten das Meer durch starke Nachtferngläser.
Die Berreskowa zuckte zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie hatte an Malenkow gedacht und keine Schritte gehört. Aber sie drehte sich nicht um.
»Sie haben Heimweh, Ljuba Alexandrowna?« fragte eine Stimme.
Es war Kapitänleutnant Braslowskis Stimme, unverkennbar dieser gutturale Klang.
»Warum soll es Heimweh sein, Iwan Gregorowitsch?« fragte sie zurück.
»Wenn eine Frau nachts ins Meer starrt, Tausende von Meilen von der Heimat entfernt …« Braslowski legte von hinten seine Arme um sie, und sie ließ es zu, ohne ihn verwundert abzuwehren. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Wie könnten Sie mir helfen, Genosse?«
»Einsamkeit kann zu einer Krankheit werden.« Sie spürte, wie Braslowskis Hände plötzlich zu zittern begannen. »Sie können diese Krankheit besiegen.«
»Sie kennen dagegen ein Medikament?«
»Wir sollten darüber miteinander reden. In einer gemütlichen warmen Kabine bei einer Flasche Krimsekt …«
»Bei Ihnen.« Die Berreskowa schob sanft, aber bestimmt Braslowskis Hände von ihrem Oberkörper weg. »Iwan Gregorowitsch, ich soll Ihre Geliebte werden?«
»Der glücklichste Mensch wäre ich, Ljuba Alexandrowna.«
»Es geht nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Zur Geliebten tauge ich nicht. Wenn ich liebe, dann zeitlos, ohne Grenzen, ohne hemmendes Gewissen. Sie haben eine Frau und zwei Kinder, Genosse Braslowski.«
»So weit weg, als seien sie auf einem anderen Stern.«
»Aber sie sind da.« Sie drehte sich um. Braslowski war ganz nahe vor ihr, sein Atemnebel überzog ihre Augen, das einzige, was nicht an ihr dick vermummt war. »Es tut mir leid, aber ich könnte Sie nie lieben.«
»Bin ich so ein häßlicher Mensch?«
»Sie sind sogar ein attraktiver Mann, Braslowski, aber –«
»Warum ein Aber?«
»Ich liebe Jurij Adamowitsch und sonst keinen.«
»Gegen Malenkow um eine Frau zu kämpfen ist sinnlos, recht haben Sie, Ljuba.« Braslowski trat von der Berreskowa zurück. »Sie stehen hier in der Nacht und denken an ihn?«
»Ja. Und bitte, Iwan Gregorowitsch, lassen Sie mich wieder allein …«
Braslowski nickte, wandte sich ab und ging.
Die Berreskowa drehte sich wieder dem Meer zu. Was habe ich da gesagt? fragte sie sich. Ich liebe Jurij? Ein Wahnsinn ist das, wo ich ihn töten will. Wie eine Hündin hat er mich genommen, und wie einen tollwütigen Hund werde ich ihn erschlagen. Jurij Adamowitsch, keine Zeit wirst du haben, ein Held der Sowjetunion zu werden …
Die ›Lincoln‹ hatte den McMurdo-Sund erreicht und fuhr nun langsam, tastend, mit den elektronischen Augen des Radars und den elektronischen Ohren der Sonare durch das Treibeis in die Antarktis hinein. Für den riesigen Schiffskörper gab es keine Hindernisse, wenn es nicht gerade ein Eisberg war, der auf sie zuschwamm. Aber den ortete man früh genug und konnte manövrieren, ehe er gefährlich wurde.
In der dritten Nacht im Sund rief die Sonarwache die Brücke an. Korvettenkapitän Thomson, der Wachhabende, nahm den Hörer ab.
»Sir«, meldete sich die Stimme von Lieutenant Roper, dem Verantwortlichen der Sonargruppe, »wir haben ein Geräusch aufgefangen, das sich wie ein Motor anhört. Wir versuchen gerade, die Entfernung zu ermitteln. Es hört sich an wie ein U-Boot, oder der Computer spinnt mal wieder.«
»Roper, wo soll hier ein U-Boot herkommen?« Thomson sah auf das Treibeis und das in der fahlen Dunkelheit schwarze Meer hinaus. »Und was will ein U-Boot hier? Es liegen uns von der Navy keinerlei Meldungen vor.«
»Es ist verrückt, Sir, ich weiß, aber das Geräusch hört sich so an.« Lieutenant Roper starrte wieder auf die Ergebnisse der feinen Sonaraufzeichnungen. »Jetzt hört es auf.«
»Na also.« Thomson versuchte einen Witz. »Vielleicht hat ein Walfisch im Schlaf mit dem Schwanz gewackelt.«
»Ein fremdes U-Boot, Sir –«
»Wer? Welcher Idiot fährt unter Wasser in der Antarktis herum? Nicht mal die Russen kämen auf diese verrückte Idee.«
»Da ist es wieder, Sir!« Ropers
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