Duell im Eis
lag in seinem Blick. »Was ist mit Virginia?« fragte er besorgt. »Ist sie etwa doch verletzt?«
»Wieso?« fragte Ljuba zurück.
»Jede andere Frau würde uns jetzt entgegenstürzen. Sie hat doch gehört, daß wir gekommen sind. Sie kann uns am Fenster sehen – warum …«
Er wollte die zwei Schritte bis zum Schlitten zurücklaufen, aber Ljuba war schneller. Mit einem wahren Raubtiersprung war sie vor ihm da, riß die Maschinenpistole vom Sitz und richtete den Lauf auf Henderson. »Ric, seien Sie vernünftig!« sagte sie dabei. Ihre Stimme war sanft und schmeichelnd wie bei einer Liebeserklärung. »Seien Sie ein Märchenprinz.«
Henderson stand wie erstarrt vor ihr und blickte auf die Maschinenpistole, die genau auf seinen Magen zielte. Ljubas Zeigefinger lag gekrümmt um den Abzugshebel. »Lassen Sie den Unsinn«, sagte er gepreßt.
»Das ist kein Unsinn, Ric!«
»Sie werden nicht schießen.« Er streckte die rechte Hand aus. »Ljuba, geben Sie das Ding her.«
»Ich werde schießen.«
»Ihre Hände sind zum Streicheln da, aber nicht zum Töten.«
»Versuchen Sie jetzt bloß nicht, den großen Charmeur zu spielen.« Sie schwenkte kurz den Lauf der MP zur Tür des Hauses und dann zurück auf Henderson. »Gehen Sie hinein. Die Tür ist offen. Hier bricht niemand ein.«
»Wo ist Virginia?«
»Ihr geht es gut, sie ist gesund und genießt die beste Pflege.« Ihr Gesicht wurde wieder maskenhaft bei dem Gedanken an Jurij Adamowitsch und seine läppischen Bemühungen, Virginia für sich zu interessieren. »Genügt das nicht?«
»Nein. Ich will sie sehen.«
»Sie werden Sie sehen, Ric. Ich verspreche es Ihnen.«
»Ich glaube Ihnen nicht mehr, Ljuba. Sie haben mich überlistet, hierher gelockt, und alles, was Sie bisher gesagt haben, ist gelogen. Virginia … lebt nicht mehr.« Er holte tief Atem. Ein innerer Druck machte ihm sehr zu schaffen. »Ist das die Wahrheit?«
»Nein. Sie lebt recht munter. Man hat sie weggebracht.«
»Der Mann, von dem sie schreibt?«
»Ja. Ein mutiger und in vielen Dingen interessanter Mann. Kein strahlender Märchenprinz wie Sie, Ric.«
»Hören Sie endlich mit Ihrem dummen Märchenprinzen auf!« Er blickte auf seine Armbanduhr. »In spätestens einer Stunde muß ich wieder starten. Führen Sie mich zu Virginia.«
»Ich bringe Sie hin, Ric. Aber es wird ein anderes Wiedersehen sein, als Sie erhoffen. Sie werden erstaunt sein, was Sie vorfinden. Virginia und ein anderer Mann –«
»Reden Sie keinen Blödsinn, Ljuba. Damit können Sie mich nicht reizen. Für Virginia gibt es keinen anderen Mann als mich.«
»Der dämliche Stolz der Männer – Ric, Sie haben ihn ja auch! Und ist Virginia die einzige Frau, für die Sie Augen haben? Nicken Sie nicht, Sie Heuchler! Ich bin kein kleines, dummes Mädchen mehr, ich habe gelernt, die Blicke der Männer richtig zu deuten, und es war immer ein Volltreffer. Auch aus Ihren Augen lese ich: Wie sieht diese Ljuba unter dem Pelz aus? Stimmt das? Was wird sie tun, wenn ich sie anfasse? Ist es so? Es muß wahnsinnig sein, mit ihr im Bett zu liegen! Wünschen Sie sich das? Ric, Männer sind einer wie der andere, und Sie sind keine Ausnahme.«
Henderson antwortete nicht. Er war verlegen geworden, wußte keinen überzeugenden Protest, empfand sich wie entlarvt und tappte an Ljuba vorbei zum Haus. Er stieß die Tür auf, die Hitze traf ihn wie ein Fausthieb, er drehte sich um und sah Ljuba, die MP immer noch im Anschlag, hinter sich stehen. »Wollen Sie sich garkochen lassen?« fragte er. »Diese Hitze hält ja kein Mensch aus!« Er warf seinen Pelz auf den Boden und die Fellmütze hinterher. An dem wattierten Fliegeroverall zog er den Reißverschluß bis zu den Hüften herunter.
Ljubas Blick glitt abschätzend an ihm hinunter. Größer ist er als Jurij, dachte sie und freute sich über das leise Prickeln, das auf ihrer Haut entstand. Kräftiger, männlicher, sportlicher. Viel Sport treiben sie, die amerikanischen jungen Männer. Das liest man immer. Baseball, Football, Basketball, Schwimmen, Boxen, sie trainieren ihre Körper durch, vor allem, wenn sie ein College besuchen oder wie Ric Henderson auf einer Militärakademie ihren Offizier machen. Voller Muskeln wird sein Körper sein. Sie fuhr sich mit der Zunge schlangenschnell über die Lippen und trat hinter sich die Tür zu, um die MP nicht aus der Hand legen zu müssen. »Ich habe eine eigene Art zu wohnen«, sagte sie lässig. »Wenn man ganz allein ist, sieht einen nur der Spiegel. Und
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