Duell: Island Krimi (German Edition)
in dieser Richtung erwähnt, und niemand war Zeuge eines Streits geworden. Der Filialleiter konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand Ragnar etwas Böses antun wollte. Für ihn war dieser Mord einfach nur schrecklich, seine Mitarbeiter waren alle wie vor den Kopf geschlagen. Keiner von ihnen war jemals mit Ragnar ins Kino gegangen.
»Hat er irgendwann einmal sein Aufnahmegerät erwähnt?«, fragte Marian eine junge Frau an der Kasse, die am meisten mit Ragnar zu tun gehabt hatte.
»Nein«, erklärte sie. Die stark geschminkte Kassiererin hatte eine Zigarettenpause eingelegt und sich im Kaffeeraum bereits die zweite angezündet.
»Was ist das denn für ein Gerät?«
»Ein Aufnahmegerät mit Mikrofon.«
»Ein Kassettenrekorder?«
»Ja, ein Kassettenrekorder.«
»Hat er so einen gehabt?«
Sie trug den roten Firmenkittel der Ladenkette und kaute auch beim Rauchen auf einem Kaugummi herum. Marian überlegte kurz und fragte dann, was für ein Verhältnis sie zu Ragnar gehabt hatte.
»Wir hatten nichts miteinander«, sagte die junge Frau, die Marian missverstanden hatte. »Das ist mal sicher. Was für eine Frage!«
Marian und Albert verließen kurz darauf den Laden und gingen hinaus in den Sommertag. Das Wetter war schön, und die Meteorologen kündigten weitere warme Tage an. Marian blieb beim Auto stehen und hielt das Gesicht in die Sonne.
»Bobby war nicht in der Maschine«, sagte Albert.
»Nein, ich hab’s in der Zeitung gelesen«, sagte Marian. »Nicht zu glauben, wie ruhig Spasski diese Frechheiten hinnimmt.«
Die Morgenzeitungen hatten berichtet, dass Bobby Fischer die Loftleiðir-Maschine in New York lange auf sich hatte warten lassen und zum Schluss doch nicht an Bord gegangen war.
»Der Tag hat ihm nicht gepasst«, sagte Albert. »Wenn er sich weiter so benimmt, habe ich langsam meine Zweifel, dass diese Schachweltmeisterschaft überhaupt ausgetragen wird.«
»Er versucht, die Russen mürbe zu machen«, sagte Marian. »Der wird schon noch kommen.«
»Ich hoffe es. Schach ist ja bekanntlich ein Psychokrieg.«
»Ich versteh bloß nicht, wieso Spasski sich so ein Auftreten bieten lässt. Die Russen sind stinkwütend, aber er ist die Gelassenheit in Person.«
»Es ist ja noch ein paar Tage bis dahin«, sagte Albert. »Das Match hat noch nicht angefangen.«
»Fischer spielt doch bereits«, sagte Marian und stieg ins Auto. »Und ich glaube, das ist auch den Russen klar geworden.«
Der Meteorologe bereitete im Studio des Isländischen Fernsehens die Wetternachrichten für den Abend vor und stand neben einem viereckigen Kasten, nicht größer als ein Weinkarton und einer der simpelsten Requisiten des Senders. Auf den vier Seiten des Kastens befanden sich vier unterschiedliche Karten. Während der Wetternachrichten wurde der Kasten gedreht, sodass jeweils eine neue Karte auf den isländischen Bildschirmen erschien. Der Meteorologe saß daneben und deutete mit einer Art Taktstock auf Hochs und Tiefs und Millibar. Als Marian Briem und Albert eintrafen, machte der Kasten allerdings gerade Ärger, er wollte sich einfach nicht so drehen, wie der Meteorologe es von ihm verlangte. Die schlechte Laune war ihm anzusehen. Es gab mehrere Meteorologen beim isländischen Wetteramt, die abends für die Wettervorhersage im Fernsehen zuständig waren, alles bekannte Gesichter. Die meisten von ihnen waren nicht mehr ganz junge Herren, die ihrer Aufgabe ohne jeden Humor nachkamen. Schließlich war mit dem isländischen Wetter ja auch nicht zu spaßen. Die meisten gaben nichts darum, durch das Fernsehen bekannt geworden zu sein, im Gegenteil, ihnen war ihre »Berühmtheit« eher lästig.
»Verfluchte Kiste«, hörten sie den Meteorologen schnauben, der immer noch angestrengt versuchte, den Kasten mit den Wetterkarten zu drehen.
»Stimmt was nicht?«, erkundigte sich Marian Briem.
»Ich kann das Ding nicht bewegen!«
»Das ist aber dumm.«
»Ja, nein. Was ist, wer …?«
»Wir sind von der Kriminalpolizei«, sagte Marian. »Wir hätten gern mit dir über das gesprochen, was gestern im Hafnarbíó passiert ist. Soweit wir wissen, warst du in der Vorführung um fünf.«
»Ja, da war ich. Hat man mich gesehen?«
»Der Platzanweiser hat dich erkannt.«
»Man kann anscheinend nirgends mehr hingehen, ohne dass es gleich in aller Munde ist.«
»Die Wetternachrichten sind ja auch ein beliebtes Programm«, sagte Marian und deutete auf den Kasten.
»Ja, sicher, das stimmt. Ich war auch schon auf dem Weg zu euch
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