Duell: Island Krimi (German Edition)
Marian dem Meteorologen. »Die lag nicht weit von deinem Platz entfernt. Irgendjemand, der in der Fünfuhrvorstellung war, muss sie dabei gehabt haben. Der Saal ist am Morgen gereinigt worden, und da hat niemand eine leere Flasche gefunden.«
»Ich hatte keine Flasche dabei«, sagte der Meteorologe, den die Frage immer noch erstaunte. »Ich rühre nie irgendwelchen Alkohol an«, fügte er ein wenig pathetisch hinzu.
»Hast du möglicherweise bemerkt, ob jemand noch während der Vorführung den Saal verlassen hat?«, fragte Marian.
Der Meteorologe schüttelte den Kopf. Auch die Angestellten des Kinos waren sich ganz sicher gewesen, dass niemand den Saal während der Vorführung verlassen hatte, obwohl das natürlich durchaus vorkam, wenn der Film sehr langweilig war, oder aus irgendwelchen persönlichen Gründen. Es gab nur zwei Möglichkeiten, das Kino zu verlassen, entweder durch die Ausgangstüren im Saal oder durch die Türen zum Foyer. Bei dieser Vorstellung hatte es auch keine Pause gegeben, eine Pause gab es nur, wenn die Aussicht bestand, mehr Süßigkeiten zu verkaufen. Und das lohnte sich bei so wenigen Zuschauern nicht.
»Niemand ist durch die Tür da unten im Saal rausgegangen«, sagte der Meteorologe. »Das wäre mir aufgefallen.«
»Und du hast wirklich nichts gehört? Keinen Schrei? Keinen Schmerzenslaut?«
»Nein. Aber es gab viele sehr laute Szenen in dem Film, die alles andere übertönt hätten.«
»Trägst du eine Stichwaffe mit dir herum?«, fragte Albert.
Der Meteorologe drehte sich mit einer heftigen Bewegung zu Albert um. Dabei stieß er mit dem Arm gegen den Kasten mit den Wetterkarten, sodass er vom Ständer abbrach und krachend auf den Boden fiel.
»Was für ein verdammtes Mistzeug«, fluchte er. »Nein!«, sagte er dann zu Albert. »Was soll das alles. Ich laufe nicht mit einem Messer in der Tasche herum. Ich ersteche niemanden. Ich bin Meteorologe!«
Am späten Abend klingelte das Telefon bei Marian Briem. Auf dem Couchtisch stand ein kleines Sherryglas mit einem hellen, trockenen Portwein. Marian war in eine Schachpartie zwischen dem Dänenkönig Knut und dem norwegischen Jarl Ulf vertieft, die in der Saga von îlaf dem Heiligen beschrieben wurde.
Marian musste unwillkürlich schmunzeln, als diese Partie in einem Tumult endete. Der Dänenkönig fiel kurzerhand über den Jarl her und machte kurzen Prozess mit ihm.
Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine altersschwache Stimme: »Hallo? Ist Marian am Apparat?«
»Ja.«
»Marian?«
»Ja.«
»Ich wäre sehr froh, wenn du mich besuchen würdest.«
»Dich besuchen?«
»Ich muss mit dir reden. Ich wäre dankbar, wenn ich mit dir reden könnte. Mir … mir bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Marian schwieg.
»Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir diesen Gefallen tun könntest. Aber es muss bald sein. Ich fürchte, dass meine Zeit bald abgelaufen ist.«
Marian war auf diesen Anruf nicht gefasst gewesen und brauchte einige Zeit, um die Bedeutung des Gesprächs, die Bedeutung der Worte, die gefallen waren, zu erfassen. Das Schweigen in der Leitung war erdrückend. Marian unterbrach es nicht, sondern legte auf und las weiter.
Sieben
Marian Briem trank einen Kaffee in der Kantine der Kriminalpolizei und las die neueste Pressemitteilung des sowjetischen Schachverbandes in einer Tageszeitung. Fischer war nicht zur feierlichen Eröffnung der Schachweltmeisterschaft im Nationaltheater erschienen, und der Weltschachbund FIDE hatte sich dazu entschlossen, die erste Partie um zwei Tage zu verschieben, um dem Herausforderer ein weiteres und letztes Mal die Möglichkeit zu geben, nach Island zu kommen und sich dem Duell zu stellen. Die Vertreter des sowjetischen Schachverbands waren mit ihrer Geduld am Ende und verlangten, dass Fischer disqualifiziert werden sollte.
»Wie kann man nur so dumm sein«, murmelte Marian in die Kaffeetasse.
»Wer ist hier dumm?«, fragte ein Polizeibeamter, der in der Tür zur Cafeteria aufgetaucht war. Er hieß Hrólfur und alle wussten, dass er auf eine steile Karriere bei der Polizei aus war.
»Bist du schon wieder auf den Beinen?«, fragte Marian und blickte von der Zeitung auf. Trotz seiner Ambitionen hatte Hrólfur im Grunde kein sonderliches Interesse an seinem Beruf, er war dafür bekannt, so oft wie möglich krankzufeiern.
»Ich soll dir ausrichten, dass Albert unten auf dich wartet«, entgegnete Hrólfur kurz angebunden und stiefelte davon.
Sämtliche Besucher der Fünfuhrvorstellung standen
Weitere Kostenlose Bücher