Duell: Island Krimi (German Edition)
Möglichkeit, dass sich eine oder mehrere Personen in die Vorstellung geschlichen hatten, während der Platzanweiser nicht da war und Kiddý ihn vertreten hatte. Darüber war nichts Genaueres in Erfahrung zu bringen. Und der oder die Besitzerin der Rumflasche musste auch immer noch gefunden werden. Die Untersuchung der Fingerabdrücke hatte nichts ergeben. Die einzige Frau in der Fünfuhrvorstellung hatte noch nichts von sich hören lassen, obwohl man speziell nach ihr fahndete.
Als Albert gegangen war, setzte sich Marian an den Schreibtisch und überflog sämtliche Berichte in der Hoffnung, irgendetwas zu finden, was sie in der Ermittlung weiterbringen würde. Das Telefon klingelte, und ein fröhlich klingender Mann erkundigte sich, ob er mit Marian Briem spräche.
»Ja.«
»Hallo, hier spricht Rikki.«
»Und was willst du?«, fragte Marian kurz angebunden.
»Hey, was denn, stimmt was nicht?«
»Was willst du?«
»Na, dann will ich dich nicht weiter stören.«
»Prima«, sagte Marian und war im Begriff aufzulegen.
»Halt, warte noch …«
»Was ist?«
»Das … das wird dich sicher interessieren. Ihr sucht doch nach Leuten, die in diesem Kino waren?«
»Ja.«
»Ich könnte dir möglicherweise ein wenig dabei helfen.«
Marian Briem spitzte die Ohren. Der Mann, den alle immer nur Rikki nannten, war ein Kleinkrimineller, der immer wieder mal wegen Schmuggel, Einbruch und Diebstahl, aber meistens wegen Trunkenheit mit der Polizei in Berührung gekommen war. Er hatte sich manchmal mit Hinweisen aus der Reykjavíker Unterwelt bei der Polizei anzubiedern versucht. Die meisten dieser Hinweise waren aber so unbedeutend oder konfus gewesen, dass sie praktisch nie etwas gebracht hatten.
»Na schön, dann schieß los«, sagte Marian.
»Bist du jetzt wieder bei Laune?«
»Mach dich bloß nicht so wichtig«, sagte Marian. »Was ist mit den Kinobesuchern?«
»Ich habe gehört, dass ihr gerne wissen würdet, wer im Kino war. In dem Zusammenhang habe ich von einem gehört, von dem du bestimmt wissen möchtest, wer es ist.«
»Ach ja?«
»Wirst du dich dann beim nächsten Mal an mich erinnern, wenn ich wieder mal eingelocht werde?«
»Eingelocht? Du meinst vielleicht, dass du bei uns die Möglichkeit erhältst, deinen Rausch auszuschlafen. Sag mir, was du gehört hast.«
»Konni war im Kino.«
»Konni?«
»Der hat bei Svana damit ziemlich angegeben. Sie hat es mir erzählt, da hatte er schon ziemlich was intus, du weißt ja, der ist eigentlich immer knülle.«
»Svana vom Café Pol?«
»Ja. Svana hat mir erzählt, dass er in dieser Vorstellung war und so getan hat, als würde er alles Mögliche über diesen Mord wissen.«
»Was du nicht sagst.«
»Ich sag’s dir doch!«
»Er trinkt sicherlich Rum«, sagte Marian.
»Wer?«
»Dieser Konni.«
»Rum? Selbstverständlich trinkt der Rum!«
Zehn
Jeden Sonntagmorgen wurde ein Gottesdienst im Rundfunk übertragen, Kirchenlieder schallten über alle Gänge bis auf die Kinderstation, wo Marian Briem bei offenem Fenster und offenen Türen lag. Auf saubere Luft wurde im Spital von Vífilsstaðir bei gutem Wetter größter Wert gelegt, und so gab es auf den Krankenstationen auch keine Türschwellen, um den Durchzug von Luft zu gewährleisten.
Auf den Korridoren waren zahlreiche Patienten unterwegs. Einige wollten sich mit einer Wolldecke und einem Buch in der Liegehalle am Ende des Gebäudes niederlassen. Die Liegehalle bot Platz für viele, und der Blick ging vom schönen See Vífilsstaðavatn bis zum Meer bei Straumsvík. Andere hatten sich eine Wanderung zur Steinwarte Gunnhildur vorgenommen, die sich auf einem Hügelrücken östlich des Lungensanatoriums befand. Niemand wusste, woher die Steinwarte ihren Namen hatte. Aber es hieß, dass die Patienten der Klinik, die es ohne fremde Hilfe bis dorthin schafften, angeblich auf dem Weg der Besserung waren. Wieder andere wollten eine Ruderpartie auf dem See machen. Und für den Abend war ein Film angekündigt, den man von einem Kino in der Stadt ausgeliehen hatte, die Klinik besaß ein Vorführgerät.
»Du fühlst dich doch wohl bei uns?«, fragte der Arzt in freundlichem Ton, als er sein kaltes Stethoskop auf Marians warme Brust drückte und den Atemgeräuschen lauschte.
Es war Marians zweiter Sonntag in diesem Sanatorium. Um das Gebäude herum hielten sich zahlreiche Besucher auf. Freunde und Angehörige der Patienten scheuten den langen Weg nach Vífilsstaðir nicht, und sie blieben meist den ganzen Tag
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