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Duell: Island Krimi (German Edition)

Duell: Island Krimi (German Edition)

Titel: Duell: Island Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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in der Umgebung von Ragnars Leiche gefunden hatte, sowohl an den Rückenlehnen der Sitze als auch auf den Armlehnen, an der Popcorn-Tüte und der Limo-Flasche, die Ragnar mit ins Kino genommen hatte.
    »Das Dumme ist bloß, dass es überall im Saal von Fingerabdrücken nur so wimmelt«, sagte er. »Die Sitze werden nämlich nicht gesäubert, nur der Fußboden wird gesaugt, das Foyer wird geputzt, da wird Staub gewischt und dergleichen, aber um die Rückseiten der Sitze oder die Armlehnen kümmert man sich nicht. Dafür gibt es ja auch normalerweise keinen Grund.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Albert.
    »Wir versuchen, uns ein Bild davon zu machen, was vor dem Mord geschah«, sagte der Mann, der Þormar hieß. Er war hochgewachsen, hatte einen großen Kopf und einen ansehnlichen Bauch. »Wie ihr wisst, gehen wir davon aus, dass der Junge so gut wie keine Chance gehabt hat, sich zu wehren, was die pathologische Analyse ja auch bestätigt hat. Es gibt nur diese zwei Verletzungen, die Messerstiche direkt ins Herz. Anschließend hat der Täter vermutlich die Tasche mit dem Rekorder und den Kassetten mitgehen lassen.«
    »Marian Briem ist der Ansicht, dass es sich um mindestens zwei Täter gehandelt haben muss. Der Junge hat wohl unabsichtlich ein Gespräch zwischen ihnen aufgezeichnet.«
    »Darüber könnt ihr gerne spekulieren«, sagte Þormar. »Wir haben nichts, was diese Theorie stützt. Wer auch immer ihn erstochen hat, muss ziemlich viel Blut an der Hand, am Ärmel und vielleicht sogar im Gesicht gehabt haben. Wir gehen zumindest davon aus, dass er viel Blut an der Hand gehabt hat, als er den Rekorder und die Kassetten des Jungen an sich genommen hat, denn er hat sich wahrscheinlich über die Sitze beugen müssen, um nach der Tasche zu greifen, da er wohl kaum die Reihe entlanggegangen ist.«
    »Und das macht er alles im Stockfinsteren?«
    »Das muss nicht sein. Das Licht von der Leinwand kann ihm genügt haben, um sich zurechtzufinden.«
    »Und was ist mit diesen Fingerabdrücken, habt ihr etwas herausgefunden?«
    »Die müssen wir noch analysieren und mit unserem Archiv abgleichen. Wahrscheinlich stammen die meisten von irgendwelchen unbeteiligten Kinobesuchern. Wenn Marian Briem der Meinung ist, dass da ein oder gar mehrere Ausländer involviert gewesen sein könnten, müssen wir einige der Fingerabdrücke womöglich ins Ausland schicken. Und das braucht seine Zeit, wie du weißt.«
    »Die haben ihm alles abgenommen«, sagte Albert.
    »Sie wollten ganz sichergehen, was die Mitschnitte auf den Kassetten betrifft, falls die Vermutungen von Marian zutreffen. Die Schultasche konnten sie nicht einfach am Tatort zurücklassen.«
    »Glaubst du, dass sich so etwas noch einmal ereignen könnte?«, fragte Albert.
    Þormars Antwort ließ auf sich warten, und er zuckte schließlich nur noch mit den Achseln.
    »Das lässt sich aufgrund dessen, was wir wissen, schwer abschätzen«, sagte er.
    »Muss jemand nicht total verrückt sein, um so etwas zu machen?«
    Albert und Marian hatten bereits intensiv darüber diskutiert, ob die Gefahr einer Wiederholungstat bestünde. Es gab keinerlei Präzedenzfälle. In der isländischen Geschichte hatte es zwar so etwas wie Massenmörder gegeben, aber keinen einzigen in der Neuzeit. Der oder die Mörder mussten jedoch nicht unbedingt Isländer sein, in der Stadt gab es wegen der Schachweltmeisterschaft zahlreiche ausländische Gäste, und unter denen konnte es natürlich auch schwarze Schafe geben.
    »Soll das heißen, dass wir alles Furchtbare den Ausländern zu verdanken haben?«, fragte Albert.
    »Sehr vieles«, antwortete Marian.
    »Gehören dazu auch Schachfans?«
    »Wieso sollten die besser sein als andere?«, entgegnete Marian Briem.

Neun
    Ragnars Beerdigung fand in aller Stille statt, nur wenige Menschen hatten sich zur Trauerfeier in der Domkirche eingefunden. Der Pastor sprach über den jungen Menschen, der auf eine beispiellos brutale Weise aus dem Leben gerissen worden war und die Angehörigen in tiefem Schmerz zurückgelassen hatte. Marian Briem hörte nicht mehr zu, als er über die Auferstehung, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben zu reden begann. Ragnars Familie hatte in den ersten beiden Reihen Platz genommen, einfache Menschen, die keine Antwort auf all die Fragen bekommen hatten, die sich ihnen in den letzten Tagen schwer auf die Seele gelegt hatten. Und selbst, wenn es die ein oder andere Antwort gab, waren es doch nur Antworten, die von Menschen gegeben

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