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Duell: Island Krimi (German Edition)

Duell: Island Krimi (German Edition)

Titel: Duell: Island Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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werden konnten. Die großen Fragen, für die vielleicht die Kirchen zuständig waren, würden nie beantwortet werden.
    Das war es, was Marian Briem durch den Kopf ging, während die Trauerfeier weiterging und die Kirche vom Gesang des Chores erfüllt wurde, der das Lied Allt eins og blómstrið eina anstimmte. Der schwermütige Gesang weckte in Marian Briem bruchstückhafte Erinnerungen, die seit dem Eintreffen der Postkarte immer wieder aufgekommen waren. Die Karte war von irgendwo auf der Welt abgeschickt worden und hatte lediglich eine kurze Nachricht enthalten: Ich komme bald . Nichts weiter. Nur diese Nachricht, die Marian schon seit geraumer Zeit erwartet hatte.
    Der Pfarrer bat die Anwesenden, sich zu erheben. Als er das apostolische Glaubensbekenntnis sprach, stimmte Marian nicht ein.
    Der Sarg wurde von einigen jungen Verwandten von Ragnar aus der Kirche zum Leichenwagen getragen, der vor dem Portal vorgefahren war. Die Trauergäste sprachen der Familie ihr Beileid aus, als sie aus der Kirche kamen. Nur die allernächsten Angehörigen folgten dem Sarg bis zum Grab. Nach und nach löste sich die Versammlung vor der Kirche auf, und bald war wieder alles ruhig. Marian Briem hatte nichts Verdächtiges oder Ungewöhnliches bemerkt. Keinen Mann mit einer blauen Windjacke. Keine Frau, die so wirkte, als würde sie sich sämtliche Filme mit Gregory Peck ansehen.
    Marian ging zum Auto zurück. Auf dem Beifahrersitz lagen die Kassetten mit dem Tonmitschnitt von Agenten sterben einsam , die sie sich noch anhören mussten. Möglicherweise war der Wortwechsel zwischen Ragnar und dem Mann in der blauen Windjacke ebenfalls aufgezeichnet worden. Albert hatte die Kassetten am Vormittag abgeholt. Er hatte die ganze Nacht vor dem Bungalow in Fossvogur Wache gestanden, in dem Bobby Fischer untergebracht worden war, und sein Traum, den Herausforderer persönlich zu treffen, war tatsächlich in Erfüllung gegangen. Fischer war endlich angereist, um sich mit dem »russischen Bären« zu messen. Albert hatte deshalb kaum ein Auge zugetan, und die Begeisterung sprudelte nur so aus ihm heraus, als er Marian Briem gegen Mittag traf. Seiner Meinung nach hatte die Tatsache, dass Kissinger sich telefonisch eingeschaltet hatte, entscheidend dazu beigetragen, dass Fischer endlich bereit war, gegen Spasski anzutreten. Albert schwebte angesichts der Ereignisse vom Vortag regelrecht auf Wolke sieben. Zahlreiche Menschen hatten sich vor dem Bungalow eingefunden, um den Schachmeister mit eigenen Augen zu sehen und ihm einen gebührenden Empfang zu bereiten. Im Laufe des Abends hatten sich die Leute nach und nach verzogen, und Fischer hatte Lust auf eine Spritztour bekommen. Die Polizei hatte mit ihm einen Ausflug aufs Land gemacht, der bis sechs Uhr morgens dauerte. Albert hatte zwar nicht daran teilgenommen, aber er hatte von seinen Kollegen gehört, dass Fischer in glänzender Laune gewesen war.
    Marian fuhr zum Borgartún, nahm den Aufzug in die oberste Etage und besorgte sich einen Kassettenrekorder. Ragnars Mitschnitt umfasste zwei Kassetten. Als die zweite Kassette lief, legte sich Marian aufs Sofa, drückte auf Play und schloss die Augen.
    Agenten sterben einsam schien vor allem ein lauter Film zu sein. Der Platzanweiser hatte ihnen in groben Zügen erzählt, worum es in dem Film ging. Die Vorlage war ein Thriller von Alistair MacLean, in den Hauptrollen spielten Richard Burton und Clint Eastwood, die als Soldaten der Alliierten einen General befreien sollten, den die Nazis in einer uneinnehmbaren Festung jenseits der Demarkationslinie gefangen hielten. Der Ton der Aufnahme war deutlich und gut zu verstehen. Gegen Ende des Films steigerte sich die Spannung, und große Ereignisse kündigten sich an.
    »Was für ein verdammter Lärm«, stöhnte Marian, als die Gewehrsalven, die Schreie und die dramatische Musik ihren Höhepunkt erreichten.
    Schließlich kehrte wieder Ruhe ein, die Schüsse und Detonationen wurden leiser, genauso wie das Schreien und Rufen. Stattdessen Propellergeräusche, ein Flugzeug, das abhob, die endgültige Abrechnung stand bevor, anscheinend befand sich ein Verräter in der eigenen Gruppe. Zum Schluss dann Musik. Der Film war zu Ende.
    Marian setzte sich auf und starrte auf den Apparat. Unter dem durchsichtigen Deckel drehte sich immer noch langsam die Kassette.
    »Was machst du da eigentlich?«, fragte jemand mit aggressiver Stimme.
    Dann die Geräusche von aufstehenden Kinobesuchern, hochklappende Sitze und

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