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Duell: Island Krimi (German Edition)

Duell: Island Krimi (German Edition)

Titel: Duell: Island Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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schniefend.
    »Meinst du die Liegehalle draußen?«, fragte das Mädchen.
    »Die ist riesig. Wie heißt du?«
    »Ich heiße Katrín«, sagte das Mädchen.
    »Ich heiße Marian.«
    »Marian? Was ist das denn für ein komischer Name, ein Mädchen- oder ein Jungenname?«
    »Den Namen hat mir meine Mutter gegeben. Sie stammte aus Dänemark.«
    »Und weiter?«
    »Was weiter?«
    »Hast du keinen Nachnamen?«
    »Athanasius nennt mich manchmal Marian Briem. Athanasius ist mein Freund. Er sagt, dass Briem ein alter Familienname ist, von meinen Großeltern, den Eltern meiner Mutter. Athanasius interessiert sich sehr für Ahnenforschung.«
    »Hast du keinen Vater?«
    »Doch, natürlich. Aber der will nichts mit mir zu tun haben. Die Kinder in îlafsvík haben gesagt, ich wäre ein Dienstmädchenkind. Athanasius sagt, ich sei ein Kind aus einer schwierigen Beziehung, dem man keinen Vaternamen geben durfte, und deswegen sei es am besten, wenn ich mich Marian Briem nennen würde.«
    »Aber was ist mit deiner Mutter?«
    »Sie ist gestorben.«
    »Wie denn?«
    »Sie ist ertrunken, als ich zwei Jahre alt war.«
    Katrín schwieg eine Zeitlang.
    »Und jetzt bist du hier«, sagte sie dann.
    »Die Krankheit gab es überall in der Gegend, wo ich aufgewachsen bin. Auf einem Hof sind bis auf eine Mutter und ihre Tochter alle gestorben.«
    »Wie entsetzlich.«
    »Ich bin zum ersten Mal im Ausland«, sagte Marian. Es tat gut, mit dem fremden Mädchen zu sprechen. »Die Überfahrt war schlimm, aber es war toll, nach Kopenhagen zu kommen. Die Häuser sind so groß, und es gibt so viele Autos. Und Krach. Die Zugreise nach Kolding war spannend, ich bin noch nie in meinem Leben so schnell gefahren. Auch nicht mit Athanasius, wenn wir raus zum See in Þingvellir gefahren sind.«
    »Bist du in Vífilsstaðir gewesen?«, flüsterte Katrín.
    »Ja«, antwortete Marian. »Du auch?
    »Nein, aber ich möchte dich gerne etwas fragen. Ein Cousin von mir war in Vífilsstaðir. Er ist letzten Sommer gestorben. Vielleicht hast du ihn ja kennengelernt.«
    »Wie hieß er?«
    »Anton«, flüsterte Katrín.
    Marian starrte sie an.
    »Anton?«
    »Ja.«
    »Anton war dein Cousin?«
    »Ja. Hast du ihn gekannt?«
    »Anton war mein Freund«, sagte Marian leise. Er lag im Zimmer neben mir. Ich … Er ist so plötzlich gestorben.«
    »Er war sehr krank.«
    »Ja.«
    »Antons Vater ist der Bruder von meiner Mama«, sagte Katrín. »Wir haben früher in den Westfjorden gelebt, in Ísafjörður. Aber dann kam die Krise, und Papa glaubte, dass es uns hier besser gehen würde, deswegen sind wir nach Dänemark gezogen. Er ist Schreiner. Ich kann mich erinnern, als Anton im Krankenhaus in Ísafjörður war und manchmal zu Besuch kam, er war so elend dran. Er wollte immer so viel wie möglich zu Hause sein. Sein Papa hatte in Antons Zimmer extra ein Giebelfenster eingebaut, damit Anton aus seinem Zimmer etwas sehen konnte. Und dann wurde er nach Vífilsstaðir geschickt.«
    »Er kam an seinem letzten Abend noch einmal zu mir«, sagte Marian. »Am nächsten Morgen war er tot. Als ich in sein Zimmer kam, hatte man ein Laken über ihn gebreitet.«
    »Der arme Anton.«
    »Am Abend vorher hat er aus dem Fenster in meinem Zimmer auf den See geschaut und gesagt: ›Was für ein Tag.‹«
    »Und dann ist er gestorben?«
    »Ja. In der Nacht.«
    Katrín schwieg eine Weile. Man hörte die langsamen Atemzüge der anderen Kinder im Zimmer.
    »Mama sagt, er hätte mich angesteckt«, flüsterte sie schließlich. »Sie gibt sich die Schuld daran, weil sie glaubt, sie hätte es nie zulassen dürfen, dass er in meine Nähe kommt.«

Siebzehn
    Ragnars Schultasche lag auf dem Tisch des Leiters der kriminaltechnischen Abteilung. Es handelte sich um eine ganz normale braune Ledertasche, mit denen so viele Schulkinder Tag für Tag in die Schule gingen. Vorne waren zwei Taschen mit Schnappschlössern aus Messing, die man mit winzig kleinen Schlüsseln verschließen konnte. Innen hatte die Tasche zwei Fächer mit einer dünnen Trennwand. Sie hatte einen Griff, und hinten befanden sich die Haken für die Schulterriemen, die Ragnar aber nicht benutzt hatte. Die Tasche war abgenutzt und blankgescheuert. Blut war über die Rückseite geflossen. Die Tasche war leer.
    Als Hinrik zu seinem Fluchtversuch ansetzte, nachdem Albert die Tasche auf der Rückbank des Cortina gefunden hatte, war Albert hinter ihm her gerannt und hatte ihn im letzten Moment davor bewahren können, vor ein Auto zu laufen. Hinrik fiel auf

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