Duell: Island Krimi (German Edition)
werden – geschätzt von seinen Gegnern, bewundert von Millionen.
Und dieser Mann bewegte sich im Schwimmbad von Laugardalur, als ginge ihn das überhaupt nichts an. Als wäre er wieder der Bobby Fischer, den niemand kannte, als er in den Straßen von Brooklyn spielte.
Erst nach geraumer Zeit schwamm er zum Beckenrand zurück. In der nächtlichen Kühle dampfte sein Körper, als er aus dem Wasser stieg. Auf dem Weg zu den Duschen sagte er etwas zu den anderen Männern und war bereits den Blicken entschwunden, als Marian sich zurückzog.
Achtundzwanzig
Am nächsten Morgen erschien Viðar Punkt neun zur Arbeit im Elektrizitätswerk von Reykjavík. Marian war gegen sechs Uhr morgens zu seinem Haus gefahren und beobachtete es aus einiger Entfernung. Viðar lebte in einem muschelsandverputzten kleinen Haus an der Skeggjagata, und nach einigem Warten konnte Marian an den Bewegungen im Haus darauf schließen, dass der Besitzer aufgestanden war. Dagný hatte gesagt, dass Viðar alleine lebte. Er hatte nie geheiratet, aber immer die Verbindung zu Bríet gehalten, die er in Moskau kennengelernt hatte. Kinder hatten sie nicht.
In der Nachbarschaft lebten noch mehr Frühaufsteher, ein sportlich aussehender Mann trug Angelruten zu seinem Jeep, während ein kleiner frecher Junge mit Brille um ihn herumhüpfte. Die beiden stiegen ein und fuhren die Straße entlang, ohne dass sie Marian bemerkten.
In den Frühnachrichten wurde wie immer von der Weltmeisterschaft berichtet, die dreizehnte Partie würde später an diesem Tag beginnen. Das ungehobelte Benehmen des Herausforderers war immer noch für eine Schlagzeile gut. Er war ständig in Bewegung, kaute an den Nägeln und bohrte in der Nase oder in den Ohren. Der Weltmeister schien sich nicht daran zu stören. Marian erinnerte sich daran, dass Spasski vor der siebten Partie den gleichen gepolsterten Drehstuhl verlangt hatte, wie ihn Fischer von Anfang an bei diesem Match benutzt hatte. Fischers Assistenten protestierten lautstark, einer versuchte sogar, den Sessel von der Bühne zu werfen, wurde aber von den Ordnern daran gehindert. Marian fielen Josefs Worte ein: Wissen wir eigentlich, worum es in diesem Match des Jahrhunderts in Wirklichkeit geht?
So früh am Morgen war nicht viel Verkehr im Nordermoor-Viertel. Ein Fußgänger ging mit schweren Schritten vorbei, ohne Marian zu bemerken. Der Mann war ein guter Bekannter der Polizei, er hieß Elliði und war ein Kleinkrimineller. Er trug einen grünen Parka, war stämmig gebaut, ging gebückt und schwankte beim Gehen hin und her, so als wäre ein Fuß kürzer als der andere. Marian sah ihm nach, bis er eine Treppe hinunterging und in einer Kellerwohnung verschwand.
Kurz vor neun öffnete sich die Haustür bei Viðar, und ein Mann zwischen sechzig und siebzig erschien. Nach Dagnýs Beschreibung musste es sich um Viðar handeln. Er trat auf den Treppenabsatz, schloss die Tür sorgfältig hinter sich und drückte zweimal die Klinke herunter, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich zu war, ging zu einem russischen Moskwitsch und setzte sich hinein. Der Motor sprang unter lautem Dröhnen an. Marian wollte nicht gesehen werden und machte sich auf dem Fahrersitz klein. Viðar fuhr in Richtung Rauðarárstígur, er nahm den kürzesten Weg zum Verwaltungsgebäude der Elektrizitätswerke von Reykjavík und traf Punkt neun Uhr an seinem Arbeitsplatz ein.
Marian fuhr hinter ihm her, sah aber keinen Grund, vor dem Bürogebäude zu warten, und fuhr zum Skúlakaffi. Einiges deutete darauf hin, dass Viðar Eyjólfsson der Mann war, der vor dem Hafnarbíó gestanden hatte. Er hatte in Moskau studiert und zumindest eine Zeitlang die Zigarettenmarke geraucht, von der Marian eine Schachtel beim Hafnarbíó gefunden hatte. Durch den Telefonanruf hatte er davon erfahren, dass das Treffen im Kino stattfinden würde, und das brachte ihn direkt mit dem Mord in Verbindung. Viðar wusste von dem Treffen zwischen dem Amerikaner und dem Russen, falls es denn ein Russe gewesen war. Und die ganze Aktion sollte strengstens geheim sein. Sehr unwahrscheinlich, dass ein anderes Treffen gemeint gewesen war.
Unter normalen Umständen hätte sich Marian diesen Viðar zu Hause vorgeknöpft oder vielleicht sogar Untersuchungshaft beantragt. Josef hatte aber streng vertrauliche Informationen an Marian weitergegeben, die auch er nicht auf offiziellem Wege erhalten hatte. Marian blieb keine andere Wahl, als Verschwiegenheit zu wahren. Man brauchte also mehr
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