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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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meist selbst archiviert. Einen Peter Reents kenne sie nicht. Oder war das vielleicht der Reents, der nahe am Reiterhof einen Fahrradverleih führte? Das hatte Femke auch schon vermutet.

58
    Peter Reents’ Alter war schwer zu schätzen. Wahrscheinlich war er über siebzig, wirkte aber wie Anfang sechzig. Das mochte am konservierenden Effekt von regelmäßigem Alkoholkonsum liegen. Als er Femke begrüßte, schlug ihr der Duft nach Rasierwasser und Pfefferminzbonbons entgegen – eine Mischung, die Trinker bevorzugen, um den Geruch von Schnaps in ihrem Atem zu übertünchen. Bei Verkehrskontrollen war dieses »Eau d’Alk«, wie Torsten es nannte, ein untrügliches Zeichen dafür, dass man den Fahrer besser in ein Röhrchen pusten lassen sollte.
    Tjark stand etwas abseits und telefonierte. Etwas, dachte Femke, war da im Gange.
    Reents hatte an einigen Fahrrädern herumgeschraubt, die wie Soldaten in Reih und Glied vor Kiek in bi Petter standen und auf Mieter warteten. Er trug eine ölverschmierte blaue Hose. Seine Fingerspitzen sahen aus, als habe er gerade bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung Fingerabdrücke abgeben müssen. Er musterte Femke aus wässrigen Augen und warf Tjark einen schwer zu deutenden Blick zu, als der sich näherte und neben Femke stellte.
    »1975«, sagte Reents mit rasselnder Stimme und blinzelte in die Sonne, die sich hinter hohen Schleierwolken versteckte. »Ich kann mich vage daran erinnern, da war was, ja. Im Winter war das Jugendlandheim abgebrannt. Es herrschte bitterer Frost, das Wattenmeer war zugefroren und die Inseln abgeschnitten. Die Feuerwehr hat die Gebäude mit ihrem Wasser in null Komma nichts in einen wahren Eispalast verwandelt.«
    »Mich interessiert mehr das Mädchen, das damals im Juni ertrunken ist«, sagte Femke. Sie wandte sich instinktiv zur Seite, als der Wind Pferdeschnauben von der nahen Weide herüberwehte.
    Tjark fragte: »Sie haben damals Fotos für die Zeitung gemacht?«
    Reents schien durch Tjark hindurchzusehen und in den Winkeln seiner Erinnerung zu kramen. »Ja«, antwortete er träge, »da dämmert was.«
    »Wir haben Ihre Aufnahme von der trauernden Familie am Fundort der Leiche in einer alten Ausgabe der Zeitung gesehen. Die Qualität ist nicht besonders gut.«
    Reents lachte, was mehr wie ein nasses Gurgeln klang. »Das waren die groben Raster damals.«
    Femke fragte: »Haben Sie das originale Negativ oder einen Abzug archiviert?«
    »Gut möglich. Allerdings ruht das ganze Material von damals in Klarsichthüllen und Kartons auf meinem Dachboden.« Er deutete auf die rot bemalte Holzhütte hinter sich. »Und damit meine ich nicht diesen Dachboden, sondern den zu Hause.«
    »Würden Sie dort einmal für mich nachsehen?«
    »Kann etwas dauern, das rauszusuchen.«
    »Wie lange?«, fragte Tjark.
    Reents kratzte sich das schlecht rasierte Kinn. »Warum ist das Bild so wichtig?«
    Femke schmunzelte leicht. Nach den vielen Jahren im Fahrradverleihgeschäft schien Reents’ Reportergeist hinter der Dunstglocke aus Doppelkorn immer noch hellwach zu sein. »Darüber kann ich im Moment nicht sprechen.«
    »Ich erst recht nicht«, ergänzte Tjark.
    »Hm«, brummte Reents. Er schien mit den Antworten nicht zufrieden, wusste aber, dass er sich damit zufriedengeben musste. »Wenn ich hier heute Schluss mache, sehe ich mal nach den Negativen.«
    »Danke. Kann ich Sie nachher abholen?«
    »Ist das so dermaßen eilig?«
    »Wer hat, der hat.«
    »Ich kann sie auch vorbeibringen …«
    »… und mich vorher anrufen.«
    Wieder rasselte ein Lachen in Reents’ Kehle. »Sie sind mir vielleicht eine.«
    Tjark und Femke wandten sich zum Gehen. Femke kickte auf dem Weg zum Wagen ein paar Steinchen weg. »Irgendetwas sagt mir das Bild von diesem Jungen …«
    »Er kommt dir bekannt vor?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Du glaubst, der Junge von damals könnte der Täter von heute sein?«
    Femke antwortete nicht. Aber Tjark hatte recht – so etwas ging in ihrem Kopf vor.
    »Und vielleicht war das damals gar kein Unfall.«
    Femke blieb stehen. »Glaubst du?«
    »Nein, aber du denkst darüber nach. Es ist wie mit diesem Puzzle, von dem ich vorhin gesprochen habe: Man glaubt, jedes Bauteil könne das gesuchte sein – zumal man weiß, dass jedes ja irgendwie zum großen Ganzen gehört und nur an die richtige Stelle muss. Dann findet man ein Teil, dreht und wendet es, weil man will, dass es in die Lücke passt, damit endlich das verdammte

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