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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Clausen stets, Fiete sei ein friesischer Klabauterkläffer – gezüchtet von den Küstenbewohnern, um die Besatzung von gestrandeten Schiffen zu vertreiben, damit man sie ungestört plündern konnte. Seemannsgarn.
    Nachdem Femke ihm erklärt hatte, was sie wissen wollte, zündete Gerret Clausen die Pfeife an, paffte einige Male daran und sagte: »Tja.«
    »Tja?«
    Clausen lachte heiser, was wie ein Kettenrasseln klang, und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. »Na, dass die Polizei von mir wissen will, wann es in der letzten Zeit neblig war, ist ja mal ein Ding.«
    »Es geht nicht um die letzte Zeit. Es geht nur um einige Daten.«
    »Wozu brauchst du die denn?«
    »Darüber kann ich nicht sprechen.« Fiete stand auf, streckte sich, gähnte und legte sich dann andersherum wieder hin. »Laufende Ermittlungen«, ergänzte Femke.
    »Übers Wetter?«
    »Über Nebel, wie ich dir eben erklärt habe.«
    Clausen brummte und sog an der Pfeife.
    Femke verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere und zuckte mit den Achseln. »Willst du etwas über das Wetter wissen, fragst du halt Gerret, wie jeder weiß.«
    Clausen stieß einen Schwall bläulichen Rauchs aus, der nach einer Mischung aus Brandy und Vanille roch. »Ich führe doch kein Buch über Seenebel. Da habe ich Wichtigeres zu tun, als meine Zeit mit so einem Quatsch zu vergeuden.«
    Femke nickte enttäuscht. Sie hatte gehofft, dass Clausen ihr weiterhelfen könnte.
    »Ruf mal bei Hans Korf in Aurich an«, sagte Clausen unvermittelt. »Korf betreibt eine private Wetterstation und pflastert das Internet mit allen möglichen Daten zu. Er stammt aus Potsdam, war dort Leiter einer Finanzbehörde. Jetzt ist er Rentner, ein Wetterhahn, Meteorologie ist sein Steckenpferd – vermutlich, weil ihm das Wetter als unerschöpflicher Quell von Zahlen dient. Wenn dir wer auf die Schnelle sagen kann, wann zu Weihnachten 1968 um sechzehn Uhr die Wellen vor Juist wie hoch gewesen sind, dann Hans Korf.«
    Ein Lächeln huschte über Femkes Lippen. »Hast du zufällig seine …«
    Bevor Femke ihre Frage ausformulieren konnte, hob Clausen bereits sein Gesäß an und zog ein Handy aus der hinteren Tasche seiner Jeans. »Seine Nummer steht im Speicher. Such sie dir selber raus, ich bringe das mit meinen Wurstfingern und den kleinen Tasten immer durcheinander.«
    Femke griff das Telefon in Anbetracht der Tatsache, wo es sich einige Sekunden zuvor noch befunden hatte, nur mit spitzen Fingern, blätterte im Kontaktdatenspeicher, bis sie »Korf« gefunden hatte, und wählte die Nummer.
    Clausen machte eine abwinkende Geste. Im Niedersinken landete seine Hand zwischen Fietes Ohren, um dort das drahtige Haar zu kraulen. »Na, mien Jung«, hörte sie Clausen sagen, bevor sie in der Hörmuschel eine berlinernde Stimme vernahm, die »Willkommen bei der Wetterstation Hans Korf, Sie sprechen mit Hans Korf« sagte.
    Femke erklärte, wer sie war, warum sie von Gerret Clausens Handy aus anrief und was sie wollte. Korf klang interessiert und sagte, dass er einen Moment brauchte, bis er seine Datenbank durchforstet hätte, und schilderte währenddessen, dass See- oder Küstennebel sogenannte Advektionsnebel seien, bei denen warme Luftschichten abgekühlt würden, wenn sie auf Kaltes träfen, zum Beispiel Wasser, worauf es zur Kondensation und Tröpfchenbildung komme, was schließlich zum Nebel führe, und dieser könne, vom Seewind getrieben, kilometerweit ins Inland gelangen, was mit einem erheblichen Sicht- und Temperaturwechsel verbunden sei. Femke antwortete, dass sie nicht unhöflich sein wolle, aber das durchaus kenne – wenn auch nicht die meteorologischen Details.
    Schließlich hatte Korf seine Software zum Laufen gebracht. Femke nannte ihm die relevanten Daten und fügte hinzu, dass eine Toleranz von einigen Tagen durchaus in Ordnung ginge.
    »In der Tat«, sagte Korf nach einer Weile.
    »In der Tat … Was?«
    »In der Tat könnten wir an den betreffenden Tagen jeweils Seenebel gehabt haben – also, verlässlich haben wir an folgenden Tagen Seenebel gehabt …«
    Als er alle Daten durchgegeben hatte, wurde Femke schwindelig. Bis auf ein Datum trafen die jeweiligen Tage die geschätzten Todesdaten annähernd und sehr genau die dazugehörenden Events bei Mommsen. Damit lag auf der Hand, dass an diesen Tagen der Mörder zugeschlagen hatte, wenn ihre Idee zutraf. Er nutzte den Schutz des Nebels – oder aber der Nebel aktivierte ihn auf irgendeine Art. Klar war somit ebenfalls, dass der

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