Dünengrab
inmitten der harten und dornigen Sträucher eine Art Oval, das einen Durchmesser von etwa sechs Metern haben mochte. Der Boden war uneben, und Tjark erkannte darin sanfte Erhebungen, als habe hier vor einiger Zeit ein Kind große Sandburgen gebaut, die längst vom Wind verweht worden waren.
Neben Fred und Tjark befanden sich Kollegen von der Hundertschaft mit langen Stangen in den Händen am Rande des Quadranten 12F, sprachen miteinander und warteten auf weitere Order. Sie hatten ihre Suche und das Stochern im Unterholz auf Weisung des Truppführers unterbrochen. Der Mann wollte nicht ausschließen, dass sie hier etwas entdeckt haben könnten – und dann könnte durch jeden weiteren Schritt ein denkbarer Fund- oder Tatort für die Spurensicherung kontaminiert werden. Jede Menge Schuhabdrücke müssten dann zum Vergleich abgenommen und alles Mögliche umfänglich dokumentiert werden, um jede Bewegung des Suchtrupps nachvollziehbar zu machen. Eine Heidenarbeit, die die Dinge unnötig verkomplizierte. Das wollte er nicht allein entscheiden. Guter Mann, dachte Tjark – nicht jeder handelte so geistesgegenwärtig.
Der Truppführer präsentierte Tjark und Fred die in Sektoren aufgeteilte Karte und hatte alle Mühe, sie im Wind so zu halten, dass etwas darauf zu erkennen war. Er vermutete, dass sich etwas unter den großen Sandburgen verbergen könnte. Möglicherweise Vikki Rickmers, dachte Tjark, aber die Spuren im Sand sahen nicht so aus, als habe hier jemand vor weniger als achtundvierzig Stunden einen Körper verscharrt, den er von der Straße aus durch die enge Gasse aus Dornenbüschen herbeigeschafft hatte.
Fred zog mit dem Reißverschluss seine Jacke zu und starrte in den milchweißen Himmel. Dann sah er Tjark an. »Wir sollten das überprüfen.«
»Natürlich.«
Tjark hörte hinter sich etwas rufen. Als er sich umwendete, sah er, wie Femke wie eine Furie durch den Pattweg geschossen kam. Sie hielt einen Zettel in den Händen und kam schließlich außer Atem neben Tjark und Fred zum Stehen.
»Tjark«, keuchte sie und rang nach Luft. Sie hielt ihm den Zettel hin. Auf dem Computerausdruck war eine farblich bizarr anmutende Luftansicht von Sektor 12F zu sehen. Ein Teil des Ausdrucks zeigte die thermografischen Details und glich der farbigen Ultraschallaufnahme eines Herdes von Tumoren und Metastasen. Eine Zone leuchtete schwach gelb, was auf Wärme hindeutete. Das Infrarotbild war von einer topografischen Radaraufnahme überlagert. Die identische Höhen- und Tiefenstruktur, die das Radar um den gelben Punkt herumzeichnete, war auch an zwei anderen Stellen zu erkennen. Im Vergleich zur eher chaotischen Darstellung des restlichen Geländes wies das auf regelmäßige Oberflächenanomalien hin. Diese Anomalien waren jeweils fast gleich groß und in gleichen Abständen zu lokalisieren. Und wenn es etwas Unnatürliches in der Natur gab, dann waren es derartige gleichförmige, rhythmische Muster. Tjark musterte die verwehten Sandhügel. Sie entsprachen in Lage und Form den Anomalien auf dem Computerausdruck.
»Ich habe die Kollegen gebeten«, sagte Femke, die endlich wieder zu Atem gekommen war, »die Kameraansichten zu überlagern. Dieser gelbe Fleck – könnte das nicht Körperwärme sein? Und diese Hügel sehen für mich aus wie Gräber.«
Tjark nickte leicht. Er war beeindruckt von ihrer Idee und ihrer Initiative und sagte ihr nicht, dass ein solcher Abgleich verschiedener Ansichten ohnehin gemacht werden würde. Und mit einem hatte sie recht: Die Hügel sahen aus wie Gräber, und wenn Körper verwesen, entsteht geringe Wärme, was die auf höchste Empfindlichkeitsstufe getriggerten Kameras erfasst haben könnten.
Tjark räusperte sich, hielt dem Truppführer stumm den Ausdruck hin, deutete auf die gelbe Zone und sagte ihm, dass sie dort suchen sollten. Gleichzeitig nahm Fred das Handy zur Hand, um die Spurensicherung und die Spürhundestaffel herbeizurufen. Schließlich setzten sich zwei Kollegen von der Hundertschaft in Bewegung und gingen mit ihren Stangen wie Lanzenträger zu dem Hügel hinüber. Vorsichtig stachen sie in den Sand. Stumm verfolgten Fred, Tjark und Femke das Geschehen. Dann wandte sich einer der Männer zu ihnen um. Sein Gesicht sprach Bände. »Da ist etwas.«
Tjark knetete die Finger. Er wusste, dass er warten sollte, bis das Team der Spurensicherung erschien. Aber der gelbe Fleck konnte nicht nur auf Verwesungswärme von einem tierischen oder menschlichen Körper hindeuten, sondern auch
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