Dünengrab
Pumuckl-Polizist.
Femke fragte: »Superbulle?«
»Er hat doch dieses Buch geschrieben, in dem er allen zeigt, welch großartiger Ermittler er ist.« Der Kollege biss in eine Apfelscheibe, die er aus der vor ihm stehenden Tupperdose gepickt hatte.
Scheint so, dachte Femke, dass Tjark einige Neider um sich hat. »Ich kenne das Buch«, sagte sie.
Der Mann zuckte mit den Achseln. »Na, das nächste handelt vielleicht vom Streifendienst.«
»Warum?« Femke beugte sich vor und schob den Kopf tiefer in das Wageninnere. Es begann stark zu regnen.
»Die haben ihn zum Innendienst verdonnert und sicher nur deswegen hier hochgeschickt, damit er im Präsidium aus dem Blickfeld verschwindet. Gegen ihn laufen zwei Verfahren wegen Gewalttätigkeiten bei Verhaftungen.«
»Oh.« Der Sockel des Denkmals von Tjark Wolf, der bereits einen Haarriss bekommen hatte, erbebte. So schnell ging das. Gestern noch ein Vorbild auf dem Buchcover. Heute ein Mann, der bereits mit einem Bein selbst über dem »Abgrund« zu schweben schien. Femke deutete auf die Bildschirme. »Die Rede war eben von Quadrant 12F. Kannst du da mal ranzoomen?«
»Sicher.« Der Techniker nahm über sein Headset Kontakt zum Kamera-Operator im Hubschrauber auf, schob die Tupperdose zur Seite und fasste nach dem Joystick. Er schaltete mit einem Mausklick ein Gitter auf dem Bildschirm auf, der den Uferstreifen aus der Vogelperspektive zeigte. Dann vergrößerte sich das Bild wie von Geisterhand. Es zitterte ein wenig, aber der Bildstabilisator der Hubschrauberkamera war gut genug, dass Femke gestochen scharf Menschen hin und her laufen sah, darunter auch Tjark und Fred. Sie umringten eine freie Zone innerhalb des Uferstreifens. Dort befand sich eine erhabene Stelle im Sand – nicht groß, aber deutlich als solche zu erkennen. Es sah aus wie ein Grab.
Femke schluckte schwer. »Wie genau sind die Wärmebildkameras?«
»Sehr genau.«
»Ich würde gerne die gleiche Stelle als Infrarotaufnahme und Topografie sehen.«
Der Mann spielte an einigen Knöpfen. Schließlich erschien auf dem zweiten Monitor eine Ansicht, die zunächst einem Fotonegativ glich. Deutlich waren hier Schattenwürfe und Bodenerhebungen sichtbar. Nach einem Knopfdruck verwandelte sich die Aufnahme in eine thermografische, die wie ein expressionistisches Bild aus Grün, Blau und Orange auf tiefem Schwarz wirkte. Darauf waren sich bewegende rote Punkte verteilt, die so zu glühen schienen wie die heiße Kohle in Femkes Magen. Bei den Punkten musste es sich um die Polizisten handeln, deren Körperwärme die Kamera einfing. Bei dem, was in schwachem Gelb zwischen ihnen leuchtete und sich kein Stück bewegte, sicher nicht.
Femke fragte leise: »Kannst du mir den ganzen Quadranten zeigen?« Im nächsten Moment vergrößerte sich das Bild. Femkes Nackenhaare stellten sich auf. »Weiter.« Ihre Stimme war ein Flüstern. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Wärmebildkamera zoomte weiter zurück. »Kannst du Infrarotaufnahme und Topografie zusammenfügen?«
Der Polizist sah Femke einen Moment lang fragend an. Dann hatte er begriffen, worauf sie hinauswollte, und nickte. Es dauerte einen Moment, bis die Bilder sich miteinander überschnitten. Es dauerte einen weiteren, bis Femke klarwurde, was sie jetzt auf dem Bildschirm sah. Sie bat den Kollegen, einen Ausdruck zu machen. Als er vorlag, faltete sie das Papier zusammen, steckte es in die Innentasche und rannte los, als ginge es um ihr Leben.
19
Eine heftige Böe zerrte von der See her an Tjarks Haaren und blähte seine Jacke wie zu einem Segel auf, als wolle sie ihn von dieser Lichtung im Uferstreifen forttreiben. Er rollte mit dem Kopf im Nacken, um das Gefühl des Unbehagens zu vertreiben, das ihn die Schultern verkrampft hochziehen ließ. Ein Schauder lief ihm über den Rücken, was nichts mit dem kalten Wind zu tun hatte. Es hatte damit zu tun, dass an diesem Ort etwas nicht stimmte. Es war das Gefühl, das Ermittler erfasste, wenn sie eine Wohnung betraten, in der sich ein Mordopfer befand. Es lag in der Luft, es brachte die Nervenenden zum Schwingen und war am Ende nicht mehr als ein Relikt aus Urzeiten, ein Impuls, wachsam zu sein, wenn man das Böse gewittert hatte. In Freds Blick hatte Tjark gelesen, dass er ebenso empfand.
Der unbewachsene Bereich lag einige Meter von der Straße entfernt. Er war durch einen schmalen, unwegsamen Pfad zu erreichen, hatte aber einen freien Zugang zum Meer. Seine Ränder verliefen unregelmäßig und bildeten
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